Schwäbische Zeitung (Biberach)
Betreuungsvereine bangen um Existenz
Gesetz für die Erhöhung der Fallpauschalen hängt im Bundesrat fest
RAVENSBURG - Betreuungsvereine kümmern sich um Menschen mit einer geistigen Behinderung, psychisch Kranke oder um an Demenz Erkrankte. Doch viele Betreuungsvereine sind in finanziellen Nöten. Der Grund ist eine vom Bundesrat aufgeschobene Gesetzesänderung, die die Finanzierung der Betreuungsarbeit verbessern soll. Die Angst vor einem Konkurs wächst.
Monika Bettinger ist Geschäftsführerin des Betreuungsvereins Sankt Martin im Kreis Ravensburg. Ihr Verein kümmert sich um Menschen, die nicht mehr für sich selbst sorgen können. Ist niemand aus der Familie da, werden Bettinger und ihre Kollegen als Betreuer eingesetzt. Sie erledigen Amtsgeschäfte, managen die Finanzen ihrer Klienten und schauen nach deren Gesundheitsvorsorge. Insgesamt unterstützt der Verein mit drei hauptamtlichen Mitarbeitern und weit mehr als zweihundert Ehrenamtlichen fast 400 Klienten.
Doch die Arbeit wird immer schwieriger und das hat vor allem finanzielle Gründe. Denn die vom Land gezahlten Betreuungspauschalen sind seit 2005 nicht mehr angepasst worden, die Tarifgehälter der Betreuer hingegen kontinuierlich gestiegen. Die Folge: Der Verein muss mehr Geld ausgeben als er einnimmt. „Das ist ein großes Problem für uns“, sagt Monika Bettinger. Der Verein lebe momentan von seinen Rücklagen. Jedes Jahr müssten etwa 50 000 bis 60 000 Euro zusätzlich aufgebracht werden. Das ginge nur über Spenden und zugeteilte Bußgelder vom Gericht oder eine Erhöhung der Betreuungszahlen.
Kein Einzelfall
Ravensburg ist dabei kein Einzelfall. Beim Betreuungsverein in Biberach gab es beispielsweise bereits vor zwei Jahren Überlegungen, den Verein zu schließen. Dort musste der Landkreis seine Zuschüsse aufstocken und wendete dadurch den Konkurs vorerst ab. „Wenn sich die Situation nicht ändert, wird der ein oder andere Verein in den nächsten Jahren zumachen müssen“, sagt Bernhard Ortseifen, Vorsitzender der Interessensgemeinschaft Berufsbetreuungsvereine in Baden-Württemberg. Von den mehr als 70 Vereinen im Land sei jeder zweite grundsätzlich in seiner Existenz bedroht, schätzt Ortseifen. Vor allem kleinere Vereine, die sich ausschließlich mit der Betreuung befassen und keinem Wohlfahrtverband angehören, seien betroffen.
In Bayern bietet sich ein ähnliches Bild. „Viele Kollegen hören auf, weil sie kein Land mehr sehen“, berichtet etwa Brigitte May, Sprecherin des bayerischen Landesverbands der Berufsbetreuer.
Eigentlich ist eine Erhöhung der Pauschalen bereits beschlossene Sache. Das Berufsbetreuungsvergütungsgesetz ging bereits im Mai durch den Bundestag. Der Bundesrat tilgte den Gesetzesentwurf dann im Juli aber einstimmig von seiner Tagesordnung – also auch mit Zustimmung der Länder Baden-Württemberg und Bayern. In der jüngsten Ratssitzung im September tauchte der Entwurf gar nicht erst auf.
„Dass der Bundesrat eine Abstimmung über das Gesetz zur Einführung der Ehegatten beistand schaft und Erhöhung der Berufs betreuer vergütung zunächst verschoben hat, heißt noch nicht, dass der Bundesrat die Vergütung san passung ablehnt “, heißt es aus dem zuständigen Justizministerium in Stuttgart auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“. Grund für die Verschiebung der Abstimmung sei, dass„ wesentliche Tatsachen grundlagen zum fraglichen Zeitpunkt noch nicht aufbereitet waren“. Gemeint ist eine Untersuchung zur Vergütung der rechtlichen Betreuung, die noch nicht abgeschlossen sei. Das Ministerium strebe aber eine zeitnahe Entscheidung an.
Für Monika Bettinger und den Betreuungsverein Sankt Martin heißt das: abwarten. Die Rücklagen des Vereins würden höchstens noch zwei bis drei Jahre vorhalten, wenn es nicht bald eine Änderung gebe. Im schlimmsten Fall müsste der Verein dann Konkurs anmelden.