Schwäbische Zeitung (Biberach)
Schwerer Schlag für die Region Ulm
Daimler verlagert Innovationsaktivitäten – Standort mit 250 Mitarbeitern macht dicht
ULM - Daimler schließt sein Forschungszentrum auf dem Ulmer Eselsberg. Der Abzug solle bis Ende 2018 vollzogen sein. Das Unternehmen konzentriert die Forschungsaktivitäten in Deutschland auf die großen Standorte Sindelfingen und Untertürkheim sowie das neue und hochmoderne Prüf- und Technologiezentrum in Immendingen (Landkreis Tuttlingen). Allen 250 Mitarbeitern würden Stellen an den genannten Standorten angeboten.
Allerdings ziehe sich Daimler nicht komplett vom Eselsberg zurück. Pressesprecher Oliver Wihofszki bringt sogar „einige Hundert zusätzliche Arbeitsplätze für IT-Experten“ins Spiel, die bei der Daimler-Tochter TSS entstehen könnten. Der Umzug der Pkw-Forschungsabteilung biete erst die Möglichkeit und den Raum, Ulm als wichtigen IT-Standort für Daimler weiter auszubauen. Wie der DaimlerSprecher betont, habe der Abzug der Pkw-Forschungsabteilung keine Folgen für das Buswerk in Neu-Ulm. Das Werk der Tochterfirma Evobus mit rund 3800 Beschäftigten sei auf einem guten Kurs.
Chance in schlechter Nachricht
Enttäuscht zeigte sich dennoch Ulms OB Gunter Czisch vom geplanten Umzug: „Das ist sehr bedauerlich, weil Daimler Teil des Gründungsmythos der Wissenschaftsstadt ist.“Allerdings sei eine Chance in der schlechten Neuigkeit verpackt: Der Eselsberg werde ein immer stärkeres Zentrum der Entwicklung für autonahe Softwareentwicklung, weil Daimler in TSS investieren wolle.
Conti, BMW und Audi forschen längst im ehemaligen Nokia-Gebäude in dieser Sparte. Überhaupt habe das Aus für die Nokia-Handysparte in Ulm gezeigt, dass auch der Fortgang einer Firma ein gutes Ende nehmen könne. Nur so konnte Ulm zum Zentrum für „Car-IT“werden. Czisch hofft nun, dass die Daimler-Mitarbeiter eine ebensolche Anziehungskraft auf Investoren ausüben, wie es bei Nokia war, und nicht alle Forscher nach Sindelfingen, Untertürkheim oder Immendingen wechseln.
Gewerkschaft ist sauer
Als „eine Zumutung“bezeichnet Petra Wassermann von der IG Metall die Entscheidung für die nach ihren Informationen 250 Stammbeschäftigten. Hinzu kämen zudem etwa 200 Studenten und Doktoranden. Der Betriebsrat sei erst äußerst kurzfristig in Kenntnis gesetzt worden. Für den Entwicklungsstandort Ulm bedeutet diese Entscheidung nach Meinung von Wassermann eine Schwächung. Denn eine enge Vernetzung, auch räumlicher Natur, gehe verloren.
Seit 1993 war Daimler fester Bestandteil des Konzepts „Wissenschaftsstadt Ulm“. Das Ressort Forschung und Technologie ist innerhalb des Konzerns eingebunden in die Entwicklung von Produkten aller Geschäftsbereiche. Jahrelang tüftelten etwa Daimler-Mitarbeiter in Ulm, um die Reibung und den Verschleiß zwischen Kolbengruppe und Zylinderlaufbahn zu reduzieren. Als „Nanoslide“vermarktet Daimler jene Technik. Daimler TSS, jene Sparte, die die Stuttgarter in Ulm künftig stärken wollen, startete 1998 als kleines Entwicklungsteam mit sieben Mitarbeitern und ist heute Daimler-Spezialist für zukunftsweisende IT-Gesamtlösungen mit mehr als 1000 Beschäftigten, davon rund 500 in Ulm.