Schwäbische Zeitung (Biberach)
Die Welt in quietschrosa
Noah Haidles Vorstadtgroteske „Für immer schön“im Münchner Marstall – Juliane Köhler in der Hauptrolle
MÜNCHEN - Regisseurin Katrin Plötner siedelt Noah Haidles Vorstadtgroteske „Für immer schön“in einer bunten Plastikwelt an. Die Rolle der Cookie Close spielt Juliane Köhler. Das Stück, das am Freitagabend Premiere im Münchner Marstall hatte, setzt auf Künstlichkeit statt Realismus – was auf Dauer allerdings ins Leere läuft.
Vertretertrolley auf, Parfüm raus, den Hals mit Daffodil Days besprühen und verzückt auf die Handgelenke reiben, mit flinken Fingern die Ware abzählen, Koffer zu, Arme und Haar hochwerfen, energisch die Brüste zurechtrücken, Taille, Hüfte und Frisur glatt streichen und geübt den Koffer in Position drehen: Showtime! Das Ritual der Cookie Close (Juliane Köhler), Handelsvertreterin in Sachen Schönheit. Sie glaubt an innere Schönheit, vor allem aber an Anti-Aging-Mosturizer und das Luminosity Luminizing Set – Falten adieu. Im Nahkampf allerdings geht nichts über die Standard-BromwichNagelfeile.
Auf High Heels läuft Cookie in Noah Haidles Stationendrama „Für immer schön“die Straßen von Grand Rapids ab, trifft ehemalige Schülerinnen, alte Feindinnen, neue Liebhaber und die verlorene Tochter Dawn. Der Autor Haidle stammt aus Grand Rapids, lebt in Detroit und ist derzeit Hausautor am Nationaltheater Mannheim. Seine Dramen amalgamieren Bibelsprüche mit ein wenig Splatter und Boulevard. Für Cookies Kreuzweg hat er unverkennbar Anleihen bei Arthur Millers Handlungsreisendem Willy Loman genommen, sich ein wenig beim absurden Theater und dem inbrünstigen Ton von Erweckungsbewegungen bedient.
Im Münchner Marstall hat Regisseurin Katrin Plötner sich gegen Realismus und für überhöhte Künstlichkeit entschieden, die gerade en vogue ist. Das ist anfangs recht amüsant, läuft jedoch im Laufe des Abends ins Leere. Anneliese Neudecker hat eine quietschrosa Plastiklandschaft mit Polsterhügeln gebaut, auf die das Ensemble sich bei seinen sketchartigen Ringkämpfen nach Herzenslust fallen lassen kann. Pauline Fusbans Heather, Katharina Pichlers Vera und vor allem Nils Strunks Dan kommen in ihren klischeehaften Kostümen und schlimmen Perücken (Kostüme: Lili Wanner) fast wie Comicfiguren daher. Nur Mathilde Bundschuhs Dawn wirkt trotz ihres ersten Auftritts als Zombie-Babypuppe wie ein Mensch, wenn auch ein beschädigter.
Juliane Köhler stapft und humpelt als Cookie auf blutenden Füßen im gelben Kostümchen – eher Barbie als Business – wie ein weiblicher Candide beherzt durch die beste aller möglichen Welten. Arm, alt und blind, nicht nur für die Realitäten des Lebens, rappelt sie sich wie eine Aufziehpuppe nach jedem Schlag wieder auf, auch wenn sie immer öfter einen kräftigen Schluck aus der MartiniFlasche kippen muss. Köhler versieht Cookie mit Aufgedrehtheit und einem Schuss Schnoddrigkeit. Doch im Laufe des Abends werden die Bewegungen fahriger, schließlich bleibt das Showtime-Ritual im Versuch stecken. Die Soldatin der Schönheit hat den Kampf um den American Dream verloren. Nur hat man das von Anfang an kommen sehen.
Die nächsten Vorstellungen:
21., 28. November, 6., 8. Dezember, 20 Uhr, 17. Dezember, 19 Uhr. Tickets unter 089 2185 1940.