Schwäbische Zeitung (Biberach)
Ende eines mörderischen Lebens
Ehemaliger Sektenführer Charles Manson nach fast 50 Jahren Haft gestorben
WASHINGTON/LOS ANGELES - Er war ein Psychopath, ein skrupelloser Guru, ein Rassist, der eine Sekte anführte, um sie für Mordtaten einzuspannen. Charles Manson ist am Sonntagabend im Alter von 83 Jahren in einem kalifornischen Krankenhaus gestorben, nachdem er fast fünf Jahrzehnte hinter Gittern verbracht hatte.
Was am 9. August 1969 in Los Angeles geschah, hat sich tief eingegraben ins kollektive Gedächtnis der Amerikaner. Manson schickte vier Mitglieder seiner „Familie“, drei Frauen und einen Mann, zu einer Villa in Beverly Hills, mit dem Auftrag, jeden dort umzubringen. Möglichst grausam, um ein Zeichen zu setzen. Getötet wurden die hochschwangere Schauspielerin Sharon Tate, verheiratet mit dem Filmregisseur Roman Polanski, ein Prominentenfriseur, ei- ne Millionenerbin, ein Drehbuchautor und ein Achtzehnjähriger, der zufällig am Tatort war. Am nächsten Abend beorderte Manson seine Todesschwadron in eine zweite Villa, diesmal stachen die Angreifer wie von Sinnen auf den Kaufmann Leno La Bianca und dessen Frau Rosemary ein. In beiden Fällen hinterließen sie mit dem Blut ihrer Opfer geschriebene Botschaften an der Wand, unter anderem „Helter Skelter“. Dieses Lied der Beatles über eine Art ausgelassenes Chaos interpretierte Manson ziemlich eigenwillig als chiffrierte Botschaft, als Ankündigung eines apokalyptischen Rassenkriegs.
Größenwahnsinniger „Prophet“
Als uneheliches Kind einer 16-Jährigen in Cincinnati (US-Staat Ohio) geboren, verbrachte Manson den größten Teil seiner Jugend in Besserungsund Haftanstalten. Seinen Vater lernte er nie kennen. Er war ein Kleinkrimineller mit langem Vorstrafenregister, als er 1967 nach Haight-Ashbury zog, in einen Stadtteil von San Francisco, der zum Mekka der Hippieszene wurde. Es war die Zeit der Blumenkinder, und der schmächtige Autodieb begriff sich als Prophet. Mit einer Mischung aus antiautoritärem Sich-Auflehnen, aus Beatles-Zeilen, Bibelversen und Passagen aus Hitlers Schriften entwarf er eine finstere Vision eines Konflikts, bei dem sich schwarze gegen weiße Amerikaner auflehnen, bevor sie ihn um Führung bitten würden. Wie ein Guru scharte er Fans um sich, zumeist weiblich, zumeist aus Mittelschichtenfamilien stammend. Als die „Manson Family“wuchs, zog er nach Los Angeles, wo Dennis Wilson, der Trommler der Beach Boys, zwei seiner Gefährtinnen kennenlernte und deren Idol Quartier anbot.
Im Gefängnis hatte Manson gelernt, Gitarre zu spielen, nun hoffte er auf eine Karriere als Musiker. Die Verbindung zu Wilson sollte ihm einen lukrativen Plattenvertrag sichern. Als sich die Hoffnung zerschlug, sann er hasserfüllt auf Rache. Seine Sekte, mit der er sich inzwischen in der ehemaligen Filmkulisse der Spahn Ranch niedergelassen hatte, spannte er ein, um aus seinen Revanchefantasien Wirklichkeit werden zu lassen. Eigentlich wollte er als Ersten Terry Melcher ins Visier nehmen, einen Plattenproduzenten, bei dem er nicht zum Zuge kam. Es war Melcher, der noch kurz zuvor in der Villa gewohnt hatte, in der Sharon Tate ermordet wurde. Dabei, deshalb die blutigen Kritzeleien, sollte es so aussehen, als hätten militante Afroamerikaner damit begonnen, das weiße Bürgertum zu attackieren.
Die Wahrheit kam ans Licht, als sich eine von Mansons Anhängerin- nen, verhaftet wegen einer anderen Straftat, gegenüber Mitgefangenen mit den Morden zu brüsten begann. Vor Gericht dann bewies der charismatische Bösewicht, dass er sich zu inszenieren wusste. Einmal brannte er sich ein X auf die Stirn; später wurde daraus ein Hakenkreuz.
Auch Vincent Bugliosi, Staatsanwalt in Los Angeles, hat seinen Teil beigetragen zum dunklen Faszinosum Manson. Als er Mitte der Siebziger ein Buch über die Blutnächte auf den Markt brachte, landete er damit auf Anhieb an der Spitze der Bestsellerlisten. Und Manson, der gab auch im Gefängnis noch Interviews, darunter ein ziemlich erhellendes mit Charlie Rose, einem amerikanischen Fernsehjournalisten. Dass Sharon Tate schwanger gewesen sei, ob ihn nicht mal das bekümmert habe, wollte Rose wissen. „Bekümmert?“, erwiderte Manson. „Was zum Teufel heißt das, bekümmert?“