Schwäbische Zeitung (Biberach)
Winter-Weihnachtsmärchen mitten in der Stadt
Stockholm ist zur Adventszeit ein besonderes Erlebnis
STOCKHOLM (dpa) - Ist es denkbar, dass sich knapp eine Million Menschen auf eine gemeinsame Weihnachtsdekoration einigen? Wenn man in der Adventszeit nach Stockholm kommt, hat man den Eindruck, dass dem tatsächlich so ist. Es gibt so gut wie kein Fenster ohne Kerzenleuchter. Alle verbreiten das gleiche weiße Licht. Dazu hier und da weiße Sterne, alles ganz schlicht.
Stockholm ist in der Weihnachtszeit eine verzauberte Stadt. Im Winter ist es dort nur etwa sechs Stunden hell, von neun bis 15 Uhr. Am Morgen ist der Himmel blank geputzt, ein gleißendes nordisches Licht leuchtet die Stadt bis in den letzten Winkel aus. Die Altstadt Gamla Stan erhebt sich auf einer Insel. Das goldene Morgenlicht spiegelt sich in den Fenstern der Giebelhäuser. Wenn Schnee liegt und lange Eiszapfen vor den Butzenscheiben hängen, ist dies das perfekte Wintermärchen.
Immer wieder biegt eine Kindergartengruppe um die Ecke. Kälte ist hier offenbar kein Grund, um drinnen zu bleiben. Doch man kann jederzeit auch ins Café abtauchen. Bei Zimtschnecken oder einem Stück warmen Apfelkuchens mit Vanillesoße kommt Adventsstimmung auf.
Auf einen Glögg
Danach geht es auf den Weihnachtsmarkt auf dem Stortorget, einem kleinen Marktplatz in der Mitte der Altstadt. Es waren Hanse-Kaufleute, die hier im 16. Jahrhundert so hübsch gebaut haben. An den Ständen gibt es das übliche Angebot, wobei man sich eine Sache nicht entgehen lassen darf: den schwedischen Glühwein – den Glögg. Sein niedriger Alkoholgehalt von gerade einmal zwei Prozent ist den strengen schwedischen Vorschriften geschuldet. Eine Besonderheit sind die eingestreuten Mandeln und Rosinen. „Nelken und Zimt sind auch noch mit drin“, verrät der Österreicher Helfried Gafgo, der hier seit vielen Jahren seinen Glögg nach eigener Rezeptur anbietet.
Der höchste Punkt der Stockholmer Altstadt ist die fast 100 Meter hohe Turmspitze der Tyska kyrka, der deutschen Kirche. Bis heute ist die Barockkirche Sitz einer deutschen Gemeinde. Am Nachmittag wird dort das Krippenspiel geprobt. In den fünf Kirchenchören der Gemeinde singen außer Protestanten auch Katholiken, Juden, Muslime und Atheisten. Chorleiter, Kantor und Organist Michael Dierks, könnte mit seinen blonden Haaren und blauen Augen als Schwede durchgehen. Mittwochs um 15.30 Uhr lässt er das Glockenspiel des Kirchturms erklingen, das älteste ganz Skandinaviens.
An Heiligabend besucht Königin Silvia den Gottesdienst in der deutschen Kirche. Sie sitzt nie in der ersten Reihe, immer in der dritten oder vierten, denn sie kommt als Privatperson und will keine Sonderbehandlung. Traditionell ist in Schweden aber eher der Frühgottesdienst am Ersten Weihnachtstag von Bedeutung. Dierks erklärt das damit, dass die Bauern in abgelegenen Gebieten früher oft die ganze Weihnachtsnacht hindurch bis zur nächsten Kirche gewandert sind, nachdem sie das Vieh versorgt hatten.
Wichtige Feiertage sind zudem der Erste Advent und der Lucia-Tag: Immer am 13. Dezember versammeln sich die Kinder frühmorgens im Kindergarten oder in der Schule. Die Heilige Lucia singt ihre getragen-melancholischen Lieder. Plötzlich wird die Dunkelheit vom Schein ihrer Lichterkrone erhellt. Gefolgt von Mädchen in langen weißen Gewändern und Jungen mit sternverzierten Hüten tritt sie ein. Lucia bringt das Licht – ein feierlicher Moment.
Karin Häggmark, gebürtige Münchnerin, aber seit vielen Jahren in Schweden verheiratet, eilt mit ihren Gästen zum „Lebenden Adventskalender“: Jeden Tag öffnet sich ein anderes Fenster der Altstadt zu einer kurzen musikalischen Darbietung oder einer kleinen humorvollen Lesung. Für die Zuschauer kann es sehr kalt werden, aber die Aussicht auf ein sicherlich sehr reichhaltiges Abendessen hilft darüber hinweg. Die Chancen stehen gut, dass man sich nach einem Besuch in Stockholm zur Adventszeit Astrid Lindgrens Bullerbü-Weisheit anschließen wird: „Eigentlich schade, dass nicht ein bisschen öfter Weihnachten ist.“ Weitere Information: Visit Sweden, E-Mail: germany@visitsweden.com,
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