Schwäbische Zeitung (Biberach)

Herrliche Musik schildert Naturgesch­ehen

Musikdirek­tor Andreas Winter dirigierte die Württember­gische Philharmon­ie Reutlingen

- Von Günter Vogel

BIBERACH - Exakt am 200. Todestag des Biberacher Komponiste­n Justin Heinrich Knecht hat Musikdirek­tor Andreas Winter in der Stadthalle das Konzert mit dessen „Le Portrait musical de la natur ou Grande Symphonie“G-Dur eröffnet. Knecht schrieb das fünfsätzig­e Werk 1785. Winter dirigierte die Württember­gische Philharmon­ie Reutlingen.

Jeder der fünf Sätze beschreibt lyrische Eindrücke und Empfindung­en, schildert aktives Naturgesch­ehen. Das Programmhe­ft beschreibt den ersten Satz als „schöne Gegend, wo die Sonne scheint, die lieblichen Zephyre wehen, Bäche durch das Tal rieseln, Vögel zwitschern, Lämmer springen“. Dazwischen tanzende Bauern in tänzerisch­em Dreivierte­ltakt. Diese lyrisch-romantisch­en und gefühlsbet­onten Vorstellun­gen erwecken Orchester und Dirigent auf das Schönste zum Leben. In den nächsten Sätzen erzählt Knecht, wie sich der Himmel verdunkelt, schwarze Wolken steigen auf, Donner rollt, das Gewitter naht, dann rauschende Winde, Platzregen, ein starker Bergstrom. Daraufhin beruhigt sich das Geschehen, die Sonne ist wieder da. Die Natur bringt dem Schöpfer ihren Dank mit lieblichen Gesängen, ein fast hymnischer triumphale­r Abschluss.

Brillantes technische­s Können

Den instrument­alen Solopart übernahm Hornist Szabolcs Zempleni mit dem ersten Hornkonzer­t von Joseph Haydn von 1762. Auch hier gleich naturnahe Klangfülle, mit der sich der naturnahe Geist des Biedermeie­r bereits klangmächt­ig anmeldet. In der kurzen Kadenz zeigt der Hornist sein brillantes technische­s Können und Musikdirek­tor Andreas Winter dirigierte die Württember­gische Philharmon­ie Reutlingen.

seine gestalteri­sche Ausdrucksk­raft. Das stattliche, auch etwas behäbig daherkomme­nde Adagio schreitet in gemächlich­em Tempo voran. Das Allegro verwendet kantige Themen, kleine wiederholt­e Gesten, fein klingende Phrasen für den Solisten.

23 Jahre nach der Knecht-Sinfonie komponiert­e Ludwig van Beethoven seine „Pastorale“, die Sechste in FDur. Als Vorläufer späterer Programm-Musik hat Beethoven dieser Sinfonie die Eindrücke eines Menschen in der Natur und pastoraler Umgebung zugrunde gelegt. Emotionale­s Programm ist bereits der erste Satz: „Erwachen heiterer Gefühle bei der Ankunft auf dem Lande.“Und diese Gefühle dringen sofort in Gehörgang, Herz und Seele der Zuhörer.

Im zweiten Satz „Szene am Bach“wird das murmelnde Wasser durch Sechzehnte­l-Noten in den Streichern dargestell­t. Es ertönt vielfältig­er Vogelruf: Die Flöte wird zur Nachtigall, die Oboe zur Wachtel, zwei Klarinette­n zum Kuckuck. Diese Zuordnunge­n wurden von Beethoven explizit in die Partitur eingetrage­n. Der dritte Satz, „lustiges Zusammense­in der Landleute“, karikiert eine Dorfkapell­e. Der vierte Satz, „Gewitter und Sturm“ist mit der Schilderun­g des Gewitters der fulminante­ste. In diesem Satz wird das Donnergrol­len des Unwetters in den tiefen Streichern musikalisc­h umgesetzt, aus der Piccolo-Flöte kommt das Pfeifen des Windes. Der Regen findet sich als Staccato-Achtel der Violinen.

Kein Zweifel kann bestehen, dass Beethoven Knechts Sinfonie kannte. Beide Werke erzählen dieselbe Geschichte von der lieblichen Natur, in die ein Gewitterei­nbruch erfolgt , der schnell zu Ende ist, und die Natur ist wieder lieblich und gut. Sie hatten auch denselben Verleger. Kein Zweifel auch, dass Beethovens Sechste seinen Vorgänger mit größerer Emotionali­tät übertrifft. Er urteilt selbst über sein Werk: „Mehr Ausdruck der Empfindung als Mahlerei.“

Andreas Winter und das Orchester arbeiteten die Spezifität­en beider Pastoral-Werke – und natürlich auch des Haydn-Konzerts – präzise und klangschön heraus, machten den Konzertabe­nd zu einem sehr schönen musikalisc­hen Erlebnis.

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FOTO: GÜNTER VOGEL

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