Schwäbische Zeitung (Biberach)
Söder verlangt mehr Konsequenz bei Abschiebungen
Markus Söder (CSU) über die Zusammenarbeit mit Horst Seehofer und den Kurs der Partei
BERLIN (ts) Nach dem Ende des CSU-Machtkampfs äußert sich Markus Söder (Foto: dpa), Bayerns künftiger Ministerpräsident, zu Kernthemen seiner Politik. So fordert der 50Jährige im Interview der „Schwäbischen Zeitung“konsequentere Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber. „Es ist doch absurd, dass wir das einzige Land der Welt sind, in das man ohne Papiere einreisen, aber nicht ohne Papiere zurückgeschickt werden kann“, so Söder.
BERLIN - Der wochenlange Machtkampf in der CSU ist vorerst gelöst. Horst Seehofer bleibt Parteichef, Markus Söder wird Ministerpräsident in Bayern. Damit gebe es eine „echte Chance für ein sehr gutes Miteinander“, verspricht Söder im Gespräch mit Tobias Schmidt.
Herr Söder, der Machtkampf in der CSU ist offiziell beigelegt. Wie tief sind die Narben, die bei Ihnen und Horst Seehofer bleiben werden?
Alle sind erleichtert, dass wir eine gute und geschlossene Lösung gefunden haben. Es waren keine leichten Wochen, aber am Ende stehen ein sehr gutes Ergebnis und eine souveräne Entscheidung von Horst Seehofer. Ich unterstütze ausdrücklich, dass er als Parteivorsitzender wieder antritt und die strategische Führung bei den anstehenden Verhandlungen in Berlin übernehmen wird. Ich freue mich auf die Aufgabe, die ich in Bayern antreten darf.
Es hat Verletzungen gegeben, sagt Seehofer selbst. Wie ist Ihr Verhältnis zum Parteichef?
Wir sind erwachsene Männer, die sich ihrer Verantwortung für Bayern und Deutschland bewusst sind. Wir hatten gute und intensive Gespräche. Jetzt blicken wir nach vorn.
Sie als Ministerpräsident in München, Horst Seehofer als CSU-Vorsitzender und womöglich Minister in Berlin – einige in Ihrer Partei fürchten, Sie beide werden nicht wirklich an einem Strang ziehen …
Ich verstehe das, aber es gibt eine echte Chance für ein sehr gutes Miteinander. Die Herausforderung war nie so groß wie heute. Wir haben eine instabile Lage in Berlin. Dafür braucht es die Geschlossenheit der CSU in Koalitionsverhandlungen. Wir stehen nach dem schlechten Ergebnis bei der Bundestagswahl vor einer schwierigen Landtagswahl mit einer AfD, die rechts von der CSU agiert. Jetzt gilt es, dass wir uns unterhaken, um zu alter Stärke zurückzufinden. Dazu sind alle bereit. Wir haben in den letzten Wochen viel übereinander geredet. Jetzt sollten wir miteinander reden. Nur, wenn wir einander vertrauen, können wir auch das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger zurückgewinnen. Wir haben eine große Wegstrecke vor uns.
Bei den anstehenden Regierungsverhandlungen in Berlin sitzen Sie mit am Tisch. Sehen Sie eine Perspektive für eine Neuauflage von Schwarz-Rot?
Deutschland braucht eine stabile Regierung. Die Menschen erwarten, dass wir jetzt rasch Stabilität bekommen. Was für Jamaika ausgehandelt worden ist, bietet eine gute Grundlage für die Gespräche mit der SPD. Selbst die Grünen hätten die Begrenzung der Zuwanderung mitgetragen, weil dies für das Land gut ist.
Wo sehen Sie Gemeinsamkeiten mit den Sozialdemokraten?
Die SPD muss sich jetzt sortieren und entscheiden, was sie will. Wir haben vier Jahre zusammengearbeitet, warum sollte man daran nicht anknüpfen? Klar ist: Es kann in Zeiten von Rekordüberschüssen keine Steuererhöhungen geben.
Und wenn Schwarz-Rot scheitert, kommen dann Neuwahlen oder eine Minderheitsregierung?
Die strategische Entscheidung liegt bei Horst Seehofer.
Wie wollen Sie die AfD-Wähler zurückholen? Muss die CSU nach rechts rücken?
Es braucht weder ein Anbiedern an Links noch einen neuen Rechtsruck. Es reicht die Rückkehr zur alten Glaubwürdigkeit. Der Unionskompromiss zur Flüchtlingspolitik ist hierfür sehr wichtig gewesen. Konkurrenz ist für uns nicht nur die AfD. Auch die FDP-Wähler in Bayern haben ein klares Bekenntnis zur Obergrenze gefordert. Wir müssen die bürgerlichen Kräfte hinter uns versammeln. Niemand will Berliner Verhältnisse in Bayern. Eine Zersplitterung des Parteiensystems wäre nicht gut für den Freistaat.
Die AfD wirbt mit dem Ruf nach einer Verschärfung der Flüchtlingspolitik um Wähler. Sehen auch Sie hier weiteren Handlungsbedarf?
Bei der Zuwanderungspolitik gibt es offene Fragen; nicht nur, wer neu ins Land kommen darf, sondern auch, wer die Bundesrepublik wieder verlassen muss. Die bisherige Situation der Abschiebungen ist kein starkes Signal für den Erfolg des Rechtsstaates. Der Staat sorgt dafür, dass jeder, der einen Strafzettel oder einen Steuerbescheid bekommt, dies auch bezahlen muss. Aber gleichzeitig gelingt es nicht, Hunderttausende Asylbewerber abzuschieben. Der Rechtsstaat muss dem Recht zur Geltung verhelfen. Wer anerkannt ist, hat alle Möglichkeiten in Deutschland, wer abgelehnt ist, muss in seine Heimat zurückkehren.
Wie wollen Sie konsequentere Abschiebungen erreichen?
Diese Frage muss intensiv diskutiert werden. Es gibt überall in Deutschland Defizite. Wir brauchen eine Fehleranalyse, warum rechtswirksames Abschieben nicht funktioniert. Es ist doch absurd, dass wir das einzige Land der Welt sind, in das man ohne Papiere einreisen, aber nicht ohne Papiere zurückgeschickt werden kann. In den anderen Ländern ist es umgekehrt.
Werden Sie, wie es viele in der CSU erwarten, nach einem deutlichen Sieg bei der Landtagswahl auch nach dem Parteivorsitz greifen?
Für mich geht das Land vor die Partei. Ich habe kein Interesse an dem Parteivorsitz. Nicht jetzt und auch nicht nach der Landtagswahl. Meine künftige Aufgabe ist es, als Ministerpräsident für die Menschen in unserem Land da zu sein.