Schwäbische Zeitung (Biberach)
„Müssen wissen, wer Staatsbürger wird“
Baden-Württembergs Innenminister will einheitliche Regelung zu Identitätsnachweisen
STUTTGART - Für Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) muss das Staatsangehörigkeitsgesetz verschärft werden. Einen entsprechenden Antrag bringt er bei der Innenministerkonferenz ein. Nur wer seine Identität zweifelsfrei nachweisen kann, soll künftig Deutscher werden können, erklärt er im Gespräch mit Kara Ballarin.
Was ist Auslöser für Ihren Vorstoß?
Stellen Sie sich den folgenden Fall vor: Da kommt im Herbst 2015 während des großen Flüchtlingszustroms einer nach Deutschland und behauptet, Syrer zu sein – in Wirklichkeit ist er aber Iraker. Seinen Ausweis verbirgt er. Nach sechs Jahren kann er bei guter Integration eingebürgert werden und bekommt einen deutschen Pass, mit allen damit verbundenen Vorteilen. Mit dem reist er in die Türkei, von dort mit seinem alten irakischen Ausweis in sein Heimatland – und dort lässt er sich vom IS ausbilden. Auf dem gleichen Weg kommt er rückwärts problemlos nach Deutschland, wo er im Extremfall, als ausgebildeter ISKämpfer, einen Anschlag verüben kann. Ich gebe zu, das ist ein Horrorszenario. Aber de facto ist es möglich. Das müssen wir von vorneherein ausschließen.
In Baden-Württemberg sind 2016 rund 17 800 Menschen Deutsche geworden – nur in NordrheinWestfalen waren es mehr. Bundesweit waren es rund 110 000, was dem Trend der Vorjahre entspricht. Haben die Neu-BadenWürttemberger alle zweifelsfrei ihre Identität belegen können?
Die Behörden verlangen selbstverständlich einen Nachweis der Identität – wie der ausschaut, da nehmen die Behörden die aktuelle Rechtsprechung als Richtschnur. Gerade deshalb sehen wir Handlungsbedarf. Die Einbürgerung ist für den einzelnen ein ganz persönlicher Schritt. Umgekehrt ist die deutsche Staatsbürgerschaft das größte Geschenk, das der deutsche Staat einem Ausländer machen kann. Das ehrliche, aufrichtige Bekenntnis zum deutschen Staat, seinen Werten, seiner Grundordnung ist das tragende Fundament der Einbürgerung – und das setzt die sichere und eindeutige Feststellung der Identität voraus. Da können wir nicht akzeptieren, dass ein Ausländer bei seiner Ankunft in unserem Land den Staat belügt. Auf gar keinen Fall darf eine Einbürgerung dazu dienen, sich eine vollkommen neue Identität zu verschaffen.
Sie kritisieren, dass manchen Verwaltungsgerichten Zeugenbeweise oder Schulbescheinigungen als Identitätsnachweis reichen. Ist das nicht schlicht pragmatisch?
Die deutsche Staatsbürgerschaft ist ein hohes Gut, deshalb brauchen wir klare und einheitliche Regelungen, wer diese Staatsbürgerschaft erhalten kann. Hier haben wir aber eine Regelungslücke im Staatsangehörigkeitsrecht, die wir dringend beseitigen müssen. So haben wir bislang gesetzlich nicht geregelt, wie jemand seine Identität nachweist. In der Rechtsprechung wird teilweise der urkundliche Nachweis vorausgesetzt, an anderer Stelle reicht aber eine Schulbescheinigung. Es ist doch ein Irrsinn, dass wir nicht genau festgelegt haben, welche Nachweise für die deutsche Staatsbürgerschaft zu erbringen sind.
Im Zuge der Flüchtlingskrise 2015 sind zigtausende Menschen nach Deutschland eingereist, die nicht die von Ihnen geforderten Dokumente für eine Einbürgerung vorweisen konnten. Bleibt diesen damit jede Perspektive auf die deutsche Staatsbürgerschaft verwehrt?
Wir müssen zweifelsfrei wissen, wer deutscher Staatsbürger wird und wer nicht. Persönlich und im Einzelfall habe ich Verständnis für jeden, der Deutscher werden will. Aber als Innenminister und im Lichte der Sicherheitslage ist die Feststellung der Identität ganz entscheidend, nicht zuletzt um auch mit Sicherheit sagen zu können, dass jemand keine verfassungsfeindlichen Bestrebungen verfolgt.
Was ist damit gewonnen, die Frist für einen Widerruf der Staatsangehörigkeit von fünf auf zehn Jahre zu erhöhen?
Der Staat muss alles gegen rechtswidrig erlangte Einbürgerungen tun und entsprechende Anreize unterbinden. Deshalb müssen wir diese Frist auch deutlich verlängern.