Schwäbische Zeitung (Biberach)
Worte wie Zunder
Nach der Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels durch Donald Trump kommt es zu heftigen Protesten
JERUSALEM - Jerusalems Bürgermeister Nir Barkat hat ein Faible dafür, die ehrwürdigen Altstadtmauern zu illuminieren. Kaum dass Donald Trump am Mittwochabend in Washington die Anerkennung Jerusalems als israelische Hauptstadt verkündet hatte, ließ das Stadtoberhaupt die amerikanische Flagge auf die hohe Steinwand neben dem Jerusalemer Jaffator projizieren. Quasi als Dankeschön an den US-Präsidenten.
Derweil gingen auf dem al-AksaPlateau, wo sonst die goldene Kuppel der Moschee leuchtet, die Lichter aus. Die Ursache war zwar eine technische, aber die Symbolik frappierend. So sehr die Israelis über Trumps einseitigen Schritt zu ihren Gunsten jubelten, so düster war die Stimmung unter den Palästinensern.
Während Israels Premier Benjamin Netanjahu von einem „historischen Tag“schwärmte, sah die palästinensische Führung ihre Hoffnungen zerplatzen. Empört warf Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas Trump vor, mit seiner Erklärung Israel auch noch für seine Missachtung von internationalem Recht und UNResolutionen zu belohnen.
Hamas sieht „Kriegserklärung“
Besonders militant gab sich Ismael Hanija, Chef der radikalislamischen Hamas. Er propagierte in Gaza eine dritte Intifada, einen Palästinenseraufstand, „als Ausdruck des Zorns“angesichts der „israelisch-amerikanischen Verbündung gegen Palästina“. Trumps Worte verglich Hanija gar mit einer „Kriegserklärung“, wogegen nur aktiver Widerstand helfe.
Schon seit Mittwochnacht registrierten die Sicherheitsbehörden vermehrt brennende US-Fahnen, Steinwürfe und Brandflaschen, wie Innenminister Gilad Erdan bestätigte. Am Donnerstag kam es im Grenzgebiet von Gaza zu heftigen Zusammenstößen mit israelischen Truppen. In vielen Städten im Westjordanland und in Ostjerusalem gingen Tausende Palästinenser auf die Straße. Die israelische Armee setzte Tränengas, Gummigeschosse und scharfe Munition ein.
Ein Demonstrant stirbt
Am südlichen Rand des Gazastreifens habe ein Palästinenser bei Konfrontationen lebensgefährliche Schussverletzungen im Bauch erlitten, teilte ein Sprecher des palästinensischen Gesundheitsministeriums mit. Soldaten hätten auf zentrale Anstifter geschossen, die Aufrufe zum Stehenbleiben ignoriert hätten, sagte eine israelische Armeesprecherin. 80 Menschen sollen nach Behördenangaben verletzt worden sein. Aufgebracht hat die Demonstranten nicht nur, dass Trump ihre Rechte in Jerusalem ignorierte, sondern die israelische Besatzung und Siedlungspolitik nicht erwähnte.
Israel hat für diesen Freitag zusätzlich Trainingsbataillone in Bereitschaft versetzt. Jerusalem ist in erhöhter Alarmbereitschaft. Befürchtet wird, dass sich die Wut vor allem an jenen hochsensiblen heiligen Stätten entlädt, die Juden als Tempelberg und Moslems als al-Aksa verehren.
Selten schätzten die Palästinenser ihre politische Lage so aussichtslos ein. „Die Zwei-Staaten-Lösung ist passé“, meinte selbst ihr Chefdiplomat Saeb Erekat. Jetzt bleibe nur der Kampf um gleiche Bürgerrechte in einem binationalen Staat. Anders lasse sich Trumps Botschaft nicht verstehen.
Zwar hat der US-Präsident gegen Ende seiner Jerusalem-Erklärung das Zwei-Staaten-Modell erstmals kurz erwähnt, aber gleich eingeschränkt, er sei dafür, wenn beide Konfliktpartner es wollen. Und die Regierung Netanjahu will nicht, erst recht nicht einen palästinensischen Staat, der das arabische Ostjerusalem für sich beansprucht. Israels Premier will derweil andere Staatsoberhäupter dazu überreden, es Trump nachzutun.
Der philippinische Präsident Rodrigo Duterte erwägt bereits, die Botschaft seines Landes von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen. Die Tschechische Republik wiederum will Westjerusalem als israelische Hauptstadt unter dem Vorbehalt anerkennen, dass der arabische Ostteil zu einem künftigen Palästina gehöre.