Schwäbische Zeitung (Biberach)
„Oberschwaben gilt als erotikfreie Zone“
Der Schemmerhofer Hobbyautor Hans Häckel im Interview.
SCHEMMERHOFEN - Der Schemmerhofer Hobbyautor Hans Häckel berichtet in seiner Autobiografie „Der Leutnant und die Liebe“von seinen erotischen Eskapaden bei der Bundeswehr. Im Gespräch mit SZRedakteur Andreas Spengler spricht der 79-Jährige zudem über sein gespaltenes Verhältnis zu Frauen, seine Lust an der Provokation und die „erotikfreie Zone“Oberschwaben.
Herr Häckel, nach der Lektüre Ihres Buches muss ich gestehen: Sie sind mir gänzlich unsympathisch. Das macht gar nichts. Früher hat es mir auch gereicht, wenn ich beim weiblichen Geschlecht sympathisch rüberkam. Meinen Geschlechtsgenossen, vor allem meinen Offizieren war ich auch unsympathisch. Wir haben uns gegenseitig gehasst. Am Schluss bin ich als Leutnant fast im Gefängnis gelandet. Darum habe ich das Buch geschrieben, weil ich mich ungerecht behandelt gefühlt habe. Natürlich habe auch ich Fehler gemacht: Ich war zu aufmüpfig und habe gedacht: Ich brauche mir von den alten Knackern nichts gefallen zu lassen. Hauptsächlich wegen meiner Frauengeschichten wollten die Offiziere bei der Bundeswehr mich loswerden.
Man wird das Gefühl nicht los, dass Sie Frauen als Ware betrachten. In Ihrem Buch machen Sie selbst vor Vergewaltigungsfantasien nicht halt. Sie beschreiben Ihr Leben als junger Leutnant, der von einem erotischen Abenteuer ins nächste stolpert. Warum breiten Sie das vor Ihren Lesern aus?
Ich habe ein vollkommen reines Gewissen. Ich habe nichts provoziert, in die Geschichten haben mich andere hineingeritten. Vornehmlich fragwürdige Frauen.
Ein Kapitel heißt „Eine Bedienung – billig, willig, sehr ordinär!“
Sie müssen das unter den Umständen der damaligen Zeit sehen. Da wurden die Frauen nicht als gleichbe- rechtigt angesehen. Wir haben die Frauen eingeteilt in anständige Frauen. Und Frauen mit lockerem Lebensstil, natürlich waren die die einzigen, die sich mit einem Soldaten einließen. Ein Mädchen aus gutem Hause hätte genau gewusst, dass sie damit moralisch keinen Blumentopf gewinnt. Wenn ich die Bedienung mit solchen heute frauenfeindlichen Ausdrücken belege, war das damals völlig normal.
Dennoch klingt es, als wären Sie heute traurig, dass es zumindest auf dem Papier Gleichberechtigung von Frau und Mann gibt. Jetzt habe ich oft das Gefühl, dass die Frauen vollständig die Oberhand gewonnen haben und die Männer sich nicht einmal mehr das Kleinste leisten dürfen, was früher selbstverständlich war. Hat früher ein Mann einer Bedienung den Hintern getätschelt, hat das ihm niemand krumm genommen. Und heute entsteht ein Riesenaufruhr und das wird gleich als sexuelle Belästigung aufgefasst. Das ist für einen wie mich von der alten Generation schon ein bisschen übertrieben. So einen kühlen, sachlichen Umgang zwischen Mann und Frau finde ich falsch.
Hegen Sie einen Groll gegen Frauen?
Nein, im Grunde genommen war ich schon immer an den Frauen interessiert und von ihnen fasziniert. Ich bin auch nie von einer Frau als unverschämt empfunden worden.
Viele Erlebnisse liegen mehr als fünfzig Jahre zurück. Sie beschreiben sie, als hätten Sie damals jede Begegnung stenografiert. Da scheinen die erotischen Fantasien mit Ihnen durchgegangen zu sein. Meine Schilderungen stimmen. Die Erfahrungen waren so einprägsam, dass ich sie noch so gut in Erinnerung habe, als wären sie erst vor ein paar Wochen passiert. Erotische Fantasie war auch gar nicht nötig, schließlich war es sehr einfach für mich, Kontakt zu Frauen zu bekommen, bei den Tanzabenden im Offizierscasino zum Beispiel.
Aber in Ihrem Buch sparen Sie auch nicht mit intimen Details. Wer soll das lesen?
Ich empfinde es als natürlich, dass es auch bei anderen jungen Männern so abläuft. Aber die wenigsten haben den Mut, so etwas zu veröffentlichen. Es ist ja nichts dabei, zu bekennen, dass ich nie ein Heiliger war. Das ist ein junger Mensch aufgrund seiner Triebe natürlich nie und nimmer. Und wenn ich das nicht ehrlich zu schildern wagte, würde ich praktisch den Menschen vorenthalten, wie es tatsächlich bei einer Armee zugehen kann. Einschließlich der Vorgesetzten, die für mich überhaupt kein Vorbild waren.
Trauern Sie der Jugend nach?
Ich wollte immer Soldat werden und die Zeit beim Bund war tatsächlich die intensivste und interessanteste Zeit meines Lebens. Das ist natürlich ein Unterschied, ob ich nach der Schule direkt studiere, hochgeistige Bücher lese, oder mich zuvor ins volle Leben stürze. Und diese Rechnung ist für mich aufgegangen. Nach meiner Zeit beim Bund bin ich Lehrer geworden, um wieder in ein anständiges Fahrwasser zu geraten.
Manche schlagen vielleicht die Hände über dem Kopf zusammen, wenn sie erfahren, dass Sie Lehrer waren. Gab es da nie Beschwerden?
Im Gegenteil, meine lockere Art ist bei den Schülern immer gut angekommen. Und mir wurde bescheinigt, dass ich ein besonders beliebter Lehrer war. Nach meinen wilden Extratouren bei der Bundeswehr habe ich in der Schule gezeigt, dass ich doch nicht so eine üble Socke bin. Das war die moralische Wiedergutmachung. Zum Teil meine Langeweile als Pensionist und natürlich hatte ich den Eindruck, ich könnte durch meine ungewöhnliche Vergangenheit ein ziemlich ungewöhnliches Buch schreiben. Also nicht nur harmloses emotionales Geplätscher.
Über ein anderes Werk „Erotische Geschichten aus Oberschwaben“hat der Saulgauer Kulturamtsleiter Andreas Ruess einmal geurteilt, es sei „sprachlich und inhaltlich – freundlich ausgedrückt – sehr bescheiden“. Warum machen Sie nach solchen Urteilen weiter?
Ich habe diese Aussagen als Blödsinn empfunden. Es spielt ja jeder in seiner Liga, wenn jemand ein bescheidener Fußballer ist, kann er trotzdem gerne Fußballspielen. Ich wollte nie als richtiger Schriftsteller angesehen werden. Das ist für mich Zeitvertreib und das Schreiben hat mir gefallen.
Warum braucht Oberschwaben ausgerechnet Ihre Bücher?
Oberschwaben gilt immer noch als erotikfreie Zone. Es bräuchte noch viel schärfere und deftigere Bücher, um zu zeigen, dass die Oberschwaben über Erotik meist nur ganz verdruckst sprechen. In meinem Dorf gibt es heute Menschen, von denen alle wissen, dass sie unehelich sind. Von denen die Mutter immer fleißig und anständig war, eine lammfromme Kirchgängerin, aber zugleich auch einen sexuell lockeren Umgang pflegte, als es noch keine sicheren Verhütungsmittel gab. Das ist die uralte Doppelmoral. Auf der einen Seite will man tadellos dastehen, im Hintergrund hätte man aber gerne Erlebnisse, die einen auch mal erregen. Und Literatur soll ja immer auch ein Spiegel des Lebens sein.
„Der Leutnant und die Liebe“von Hans Häckel ist im Gerhard-HessVerlag in Bad Schussenried erschienen. Es ist online und im Buchhandel zum Preis von 17,80 Euro erhältlich.