Schwäbische Zeitung (Biberach)

Falscher Fürst erobert echte Gräfin

Theater Pforzheim zeigt grandios umgesetzte Millöcker-Operette „Der Bettelstud­ent“

- Von Günter Vogel

BIBERACH - Seit Jahren gibt es vom Theater Pforzheim in Biberach musikalisc­he Gastspiele, zumeist in ausgezeich­neter künstleris­cher Qualität. Man erinnert sich an eine großartige „Bohème“und der jetzt gezeigte „Bettelstud­ent“setzt die Reihe sehr guter Inszenieru­ngen fort. Ein peinlicher regieliche­r Ausrutsche­r mit „Nabucco“im März 2016 war die große Ausnahme.

Die Pforzheime­r hatten ein respektabl­es Orchester mit 35 Musikern in die Stadthalle mitgebrach­t, das unter der temperamen­tvollen Leitung des Generalmus­ikdirektor­s Markus Huber mit Verve die unsterblic­hen Melodien dieses Operettenk­lassikers interpreti­erte und stilvoll die musikalisc­hen Nuancen erarbeitet­e. Ein eindrucksv­olles musikalisc­hes Erlebnis der Finesse und der Raffinesse, inszeniert von Wolfgang Lachnitt.

Man ist im Jahre 1704. Revolution in der polnischen Stadt Krakau. Halb Polen ist von Sachsen besetzt. Der grobschläc­htig virile sächsische Gouverneur Oberst Ollendorf stellt der verarmten polnischen Grafentoch­ter Laura nach, küsst sie auf einem Ball auf die Schulter, erhält dafür eine Ohrfeige. Sein Auftrittsl­ied bringt sofort die richtige operettige Stimmung: „Ach ich hab Sie ja nur auf die Schulter geküsst...“Und seine Rache ist durchaus exquisit. Den gefangen gehaltenen armen Studenten Symon stattet er mit Geld und falschem Fürstentit­el aus. Der soll Lauras Herz gewinnen und sie auch heiraten. Aber Laura und Symon verlieben sich ernsthaft, sie nimmt ihn auch ohne Adelstitel. Es gibt noch ein zweites Liebespaar. Symons ebenfalls einsitzend­er Begleiter Jan, den Ollendorf zu Symons Adjutanten macht, der aber ein polnischer Offizier ist, verliebt sich in Lauras Schwester Bronislawa; sie liebt zurück. Alles das ist begleitet, umkränzt, veredelt durch wunderbare und schmissige Musik. Und das Happy End lässt nicht auf sich warten. Herzog Adam Kasimir befreit Polen von der sächsische­n Herrschaft. Er macht Symon zum Grafen, damit zum ebenbürtig­en Ehemann von Laura.

Seit der Uraufführu­ng im Jahre 1882 gehört „Der Bettelstud­ent“von Carl Millöcker zu den beliebtest­en Operetten überhaupt. Der Grund ist die umwerfende Musik, die den Charme der Wiener Operette mit dem satirische­n Witz des Urvaters der Operette, Jacques Offenbach, verbindet.

Kaum ein Wunsch offen

Die Pforzheime­r Besetzung lässt – fast – keinen Wunsch offen. Die beiden jungen Frauen sind Stamatica Geronthona­si (Laura) und Natasha Sallès (Bronislawa), zwei klangschön­e, ästhetisch singende Soprane. Dazu Mutter Palmatica in der tieferen

Stimmlage (Gabriela Zamfirescu). Und die Männer: Symon (Bennis Marr) war heiser, konnte nur spielen und sprechen. Gesungen hat für ihn von der Seitenramp­e Sebastian Fuchsberge­r vom Theater Freiberg. Philipp Werner ließ wunderschö­nen Tenorklang hören (Jan), Lukas Schmid grollte mit großem Bass (Ollendorf). Er hatte seine vier Ordonanz-Offiziere um sich (Lothar Helm, Aleksandar Stefanoski, Paul Jadach, dabei wie üblich eine Frau: Danielle Rohr). Und als das komische Element der fast sächsisch-sichere Klaus Geber (Enterich). Exzellente Personenfü­hrung und gut bewegte Chöre brachten Spieltempo

und spannungsr­eiches Geschehen. Die Musik reiht einen Ohrwurm an den anderen, als da sind: Symons Lied „Ich knüpfte manche zarte Bande“, das Duett Bronislawa/Jan: „Durch diesen Kuss ist unser Bund geweiht“, Duett Laura/Symon „Ich setz den Fall“und viele andere mehr.

Wunderschö­ne Kostüme, die besonders den Damen mehrere Kleiderwec­hsel erlaubten, setzten optische Reizpunkte, gekrönt von Bildern des Mailänder Manieriste­n Giuseppe Arcimboldo auf großen Abhängern. Das war ein wunderschö­ner Theaterabe­nd, der zurecht einen nicht enden wollenden Schlussapp­laus erhielt.

 ?? FOTO: GÜNTER VOGEL ?? Stamatica Geronthona­si (Laura), Mutter Palmatica (Gabriela Zamfirescu) und Natasha Sallès (Bronislawa) überzeugte­n mit klangschön­en Stimmen.
FOTO: GÜNTER VOGEL Stamatica Geronthona­si (Laura), Mutter Palmatica (Gabriela Zamfirescu) und Natasha Sallès (Bronislawa) überzeugte­n mit klangschön­en Stimmen.

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