Schwäbische Zeitung (Biberach)
Das Problem heißt Bequemlichkeit
Umwelt ist uns wichtig – aber in diesem Geländewagen hat man einfach die bessere Übersicht im Straßenverkehr. Nachhaltige Kleidung – ja, total schlimm, wie die Arbeiter in den Schwellenländern ausgebeutet werden, aber die Saisonmode bei dieser Textilkette ist so günstig. Natur, total erhaltenswert – aber mit dem Flieger in den Urlaub, das hat man sich doch verdient. Diese Beispiele stehen für ein Problem, das eine aktuelle Studie des Bundesumweltministeriums in den Blick rückt: Junge Menschen in Deutschland sind umweltbewusst, aber wenn es um ihren eigenen Alltag geht, wollen sich viele nicht einschränken. Darin unterscheiden sie sich nicht von Erwachsenen, die mit schlechtem Beispiel vorangehen.
Das Problem heißt Bequemlichkeit. Nehmen wir den Onlinehandel, der von einem Boom zum nächsten eilt. Netzkäufe bringen Tonnen von Verpackungsmaterial und ein Plus an Zustellfahrzeugen mit sich. Junge Menschen wären ohne Zweifel in der Lage, ihre Einkäufe vor Ort zu erledigen, aber der Konsum per Mausklick bietet mehr Auswahl und erspart Wege, Zeit und Stress.
Die mangelnde Bereitschaft zum Verzicht hängt auch mit dem Trend zur Selbstdarstellung in sozialen Netzwerken zusammen. Reisen ist für viele zum Statussymbol geworden. Früher galt „mein Haus, mein Auto, mein Boot“, heute heißt es „mein Fernosttrip, mein Strandurlaub, meine Städtereise“. Wer die unberührte Bucht in Island mit eigenen Augen sehen will, nimmt den Flieger.
Der Weg zu mehr Nachhaltigkeit führt aber nicht nur über Gesetze oder gar Verbote, wie viele junge Menschen dieser Studie zufolge glauben. Verordneter Verzicht erzeugt Widerstand, das hat man beim „Veggie Day“gesehen. Weniger Fleisch zu essen, ist sinnvoll, aber sobald Menschen das Gefühl haben, in ihrer Freiheit eingeschränkt zu werden, reagieren sie mit Trotz.
Ein Wandel wird nur eintreten, wenn wir uns für eine bewusstere Lebensweise entscheiden und im Kleinen anfangen. Zum Beispiel mit der Frage, ob es wirklich schon wieder ein neues Smartphone sein muss.
d.drescher@schwaebische.de