Schwäbische Zeitung (Biberach)
„Momentan verdienen wir kein Geld damit“
Feneberg-Chef Hannes Feneberg über den gemeinsamen Lebensmittelhandel mit Amazon im Internet
KEMPTEN - Der Lebensmitteleinzelhandel ist im Umbruch. Mit dem amerikanischen Onlinehändler Amazon strebt ein starker Konkurrent auf den deutschen Markt, was die Branche mit gehörigen Respekt beobachtet. Doch was manche stationäre Händler mehr als nervös macht, sieht die Allgäuer Lebensmittelkette Feneberg als eine Chance an. Das regionale Familienunternehmen kooperiert mit dem globalen Internetkonzern. Warum die auf den ersten Blick ungleiche Paarung eine gewinnbringende Beziehung sein kann, erklärt Geschäftsführer Hannes Feneberg im Gespräch mit Moritz Schildgen und Benjamin Wagener.
Was haben Sie bisher von der Zusammenarbeit mit Amazon?
Das kann ich noch nicht richtig überblicken. Die Zusammenarbeit mit Amazon läuft parallel zu unserem Onlineshop in München – Freshfoods. Da üben wir jetzt schon seit vier Jahren eine Weile. Dann kam die Anfrage von Amazon, ob wir als regionaler Lebensmitteleinzelhändler nicht mit auf die Plattform Amazon Prime Now gehen wollen. Die Auswahl ist im süddeutschen Raum nicht so groß. So viele können Sie da nicht fragen. Und wir haben uns entschlossen, das einfach zu probieren. Läuft seit Juni, knapp sieben Monate. Interessant ist, dass es ganz andere Kundenstrukturen sind, als wir bisher hatten. Die Prime-Now-Kunden bestellen ganz andere Warenkörbe, als die FreshfoodsKunden. Die sind eher ältere Menschen, die sich zwar noch selber versorgen können, aber nicht mehr selbst einkaufen wollen. Oder jüngere Familien, bei denen die Frau mit kleinen Kindern mit dem Einkauf vielleicht etwas überfordert ist. Bei Amazon sind es eindeutig junge Männer, die viel Zeit am Computer verbringen.
Woher wissen Sie das?
Weil sehr oft ein Kasten Augustiner und eine Pizza bestellt werden. Die Einkaufskörbe sind unterschiedlich, die Größe der Einkäufe ist unterschiedlich. Bei Freshfoods kostet die Lieferung 3,99 Euro, wenn Sie unterhalb von 75 Euro bestellen. Deshalb ist da der Schnitt ziemlich genau bei 75 Euro. Bei Amazon liegt der Schnitt bei 25 Euro. Und es sind eindeutig Männersortimente, die da bestellt werden.
Wie lange geht die Kooperation mit Amazon noch?
Weiß ich nicht. Die Mindestvertragslaufzeit ist 1,5 Jahre, und ich kann Ihnen heute noch nicht sagen, wie lange wir uns noch lieb haben. Amazon, das sind taffe Jungs. Die waren von ihren Vorgesetzten sehr gepusht. Das ist nicht sehr partnerschaftlich, das Verhältnis, eher eine Lieferanten-Kunden-Beziehung. Es ist schon spannend. Ein mittelständisches Familienunternehmen und Amazon, die passen von der Kultur her überhaupt nicht zusammen. Ohne das werten zu wollen. Es ist einfach so. Und ob so eine Kooperation von zwei so unterschiedlichen Kulturen auf Dauer funktioniert, das weiß ich heute noch nicht.
Was war der Grund, sich für eine Zusammenarbeit zu entscheiden?
Neugier, was passiert. Wie arbeitet so ein Konzern? Was kann man lernen?
Amazon Prime Now mit Feneberg ist jetzt in München. Funktioniert das nur in einer Metropolregion oder in welchen Gegenden, glauben Sie, könnte das funktionieren?
Es funktioniert nur in verdichteten Ballungsräumen – wie groß die dann auch immer sind. Eine 100 000-EinwohnerStadt kann ein verdichteter Ballungsraum sein. Was in diesem Geschäft über Wohl und Wehe entscheidet, ist die Anzahl der Stopps pro Stunde bei der Auslieferung. Wenn Sie da nur einen haben, bringen Sie die Kosten um. Wenn Sie zwischen vier und fünf haben, ist es wirtschaftlich darstellbar. Und auf dem platten Land werden Sie nie zwischen vier und fünf Stopps pro Stunde hinkriegen. Das ist so die magische Zielgröße in dem Geschäft.
Die letzte Meile. Was wird sich ändern, ändern müssen, damit die Anlieferungen besser werden? Wie sind Ihre Erfahrungen?
Es wird hochspannend. Die entscheidenden Faktoren sind zum einen die Kapazitäten der Verkehrsströme. Wenn sich jetzt jeder seinen Einkauf nach Hause bringen lassen würde, würden die öffentlichen Straßen kollabieren. Dann finden Sie natürlich in den Ballungsräumen ganz schwer Mitarbeiter, die diese Dinge auch ausführen. Es ist sicher kein Traumjob, vier Sprudelkästen in den fünften Stock zu bringen. Hier spielt auch das jetzige sowie das zukünftige Lohnniveau eine Rolle. Um diese letzte Meile herum wird sich entscheiden, wie sich das ganze Geschäftsmodell entwickelt. Da gibt es auch viele Experimente. Die aktuellen Systeme kommen ja jetzt schon an ihre Grenzen, deswegen liest man auch so viel über Drohnen.
Haben Sie Bedenken, in eine Abhängigkeit zu geraten?
Nein, gar nicht. Amazon hat ja sonst die Tendenz, Produkte, die sich gut verkaufen, unter Eigenmarke selbst herzustellen. Die Feneberg-Produkte sind so einmalig und einzigartig, die sind nicht kopierbar – auch nicht von Amazon. Von ökologischer Landwirtschaft haben die nun wirklich keine Ahnung. Insofern habe ich keine Befürchtung, dass wir austauschbar gemacht werden von Amazon – was die größte Gefahr ist. Und die Verträge sind mit einer entsprechenden Vorlaufzeit zu kündigen. Wir haben da keinerlei Befürchtungen.
Ist das ein Bündnis, um sich gegen große Lebensmittelketten wie Rewe und Edeka zu behaupten?
Das ist ein Aspekt. Wenn das jetzt mit Amazon sinnvoll funktionieren würde für beide Seiten, dann wäre das natürlich ein Wettbewerbsvorteil gegenüber den Großen, den wir ohne Amazon nicht hätten, weil wir nicht die Kapazitäten haben, die Ressourcen haben, um in den Ballungsräumen der Republik zu wachsen. Wenn Amazon Prime expandiert nach Stuttgart, Düsseldorf und so weiter, könnten wir theoretisch mit expandieren.
Das Kernkonzept, die DNA von Feneberg, ist auch die Eigenmarke „Von Hier“. Da stehen Landwirte aus der Region für verantwortungsvoll produzierte Lebensmitteln. Ist das dann nicht ein Schritt zum Gegenteil, zu anonymem Internetverkauf?
Nein, gar nicht. Auf München bezogen sind wir ja immer noch in der Region, wir haben auch Märkte in München. Wir erzählen in unserem Onlineshop die gleichen Geschichten, die wir im Laden erzählen. Auch da erläutert der Landwirt im Shop seine Produkte. Das ist nicht anonymisiert, sondern im Gegenteil, da können wir unsere Stärke, die wir auf der Fläche haben, im Netz ausspielen. Anders ist es, wenn man sich aus der Region heraus begibt, wenn man sich entschließen würde, über Amazon Artikel in Hamburg zu verkaufen. Dann stellt sich diese Frage zurecht. Aber: So hätte die regionale Landwirtschaft eine Chance zu wachsen, die sie vorher nicht hatte. Das hängt im Wesentlichen von unseren Landwirten ab, welchen Weg man miteinander geht. Wollen wir miteinander wachsen, wollen wir mehreren Landwirten in der Region die Chance bieten, regionale ökologische Landwirtschaft zu machen – eben auch für überregionale Absatzmärkte. Das ist die spannende Frage.
Es gibt die Theorie, dass Amazon mit Lebensmitteln langfristig kein Geld verdienen will.
Über die Lebensmittel erhalten Sie die besten Kundendaten. Die häufigsten Einkäufe sind die Lebensmitteleinkäufe. Damit lerne ich am meisten über meinen Kunden. Es könnte ein Ziel sein, dass man über die Kundendaten und dann über das Zusatzgeschäft Geld verdient. Kauft ein Kunde Glühwein, biete ich ihm beispielsweise Ohrenwärmer an. Mit dem Glühwein wird nicht groß Geld verdient, mit dem Zusatz schon.
Wie sieht es aus mit den Preisen? Verlieren Sie Marge, wenn Sie über Amazon verkaufen?
Für den Verbraucher kosten die Produkte im Laden und online gleich viel. Wir verlieren Marge, da wir Amazon Provision zahlen, um auf deren Plattform präsent zu sein.
Welchen Anteil vom Umsatz soll das Projekt mit Amazon erreichen?
Das Onlinegeschäft in München haben wir ja deshalb angefangen, weil es, wenn es funktioniert, eine extrem günstige Form der Erweiterung ist. Im Ballungsraum München, sollten Sie überhaupt Verkaufsflächen kriegen, sind diese nicht zu bezahlen. Außerdem finden Sie kaum Personal, um diese Flächen zu betreiben. Eine Expansion übers Internet in einen Fleischtopf, der direkt vor unserer Nase hängt, ist die günstigste Art der Expansion, die man sich vorstellen kann. Darum sprechen wir nicht von Umsatzanteilen. Wir wissen, wie viel Umsatz wir machen müssen, damit das Ganze plus/minus null aufgeht. Und wenn wir diese Umsatzziele in den nächsten zwei bis drei Jahren nicht erreichen, müssen wir neu überlegen, wie wir weitermachen.
Und wie viel Umsatz ist das?
Momentan verdienen wir kein Geld damit. Wir investieren in ein Zukunftsprojekt.
Online beantwortet Hannes Feneberg noch mehr Fragen, beispielsweise, wer haftet und wie schnell die Waren bereitstehen müssen: