Schwäbische Zeitung (Biberach)
„Der Mensch spielt eindeutig die Hauptrolle“
Thomas Mettenleiter, Präsident des Friedrich-Loeffler-Instituts für Tiergesundheit, zur Afrikanischen Schweinepest
RAVENSBURG - Professor Thomas Mettenleiter, Präsident des Friedrich-Loeffler-Instituts für Tiergesundheit, hält die Verringerung der Wildschweinbestände in Deutschland für hilfreich, um auf eine Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest vorbereitet zu sein. Zugleich setzt er auf Aufklärung über die Gefahren falsch entsorgter Lebensmittel. „Jedes weggeworfene Wurstbrötchen kann zum Ausbruch der Seuche führen“, sagte er im Gespräch mit Claudia Kling.
Herr Mettenleiter, Baden-Württemberg und Bayern wollen den Wildschweinbestand drastisch reduzieren, um für die Afrikanische Schweinepest gewappnet zu sein. Bringt das etwas?
Das Virus hat in Europa sein Reservoir in Wildschweinbeständen gefunden. Deshalb ist eine intelligente und nachhaltige Reduktion der Population grundsätzlich hilfreich. Deutschland hat eine der höchsten Wildschweindichten weltweit – und das macht nicht nur in Bezug auf die Tierseuchenbekämpfung Probleme. Man sollte sich aber davor hüten anzunehmen, dass dies ausreichen wird, um eine Einschleppung oder Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest zu verhindern.
Was muss darüber hinaus getan werden, um das Virus in Schach zu halten?
Bei der Ausbreitung des Virus über große Distanzen spielt der Mensch eindeutig die Hauptrolle. Das kennen wir aus dem Kaukasus, Armenien, der Russischen Föderation und auch aus Tschechien. Deshalb müssen wir immer wieder darauf hinweisen, möglicherweise kontaminierte Nahrungsmittel auf keinen Fall unsachgemäß zu entsorgen. Jedes weggeworfene Wurstbrötchen kann zum Ausbruch der Seuche führen. Zudem müssen wir möglichst schnell reagieren können, wenn ein Eintrag in eine Wildschweinpopulation erfolgt ist. Deshalb muss gefundenes Fallwild, also totes Schwarzwild, sofort den zuständigen Behörden gemeldet werden. Es gibt heutzutage einfache und schnelle Untersuchungsmethoden.
Wie kommt das Virus in eine Wurst, die dann vielleicht an einem Rastplatz zwischen Warschau und Ravensburg weggeworfen und von Wildschweinen gefressen wird?
Es gibt verschiedene Szenarien dazu: Das eine ist, dass das Tier schon infiziert war, aber noch keine Symptome zeigte, als es geschlachtet und
zur Wurst verarbeitet wurde. In ärmeren Regionen werden auch oft Tiere, die nicht mehr ganz gesund wirken, bevorzugt geschlachtet. Der Erreger der Afrikanischen Schweinepest stirbt erhitzt auf 70 Grad nach mehreren Minuten ab, aber in Rohfleisch und Rohwurst kann er sich wochen- und monatelang halten.
Wird in den betroffenen Ländern, mit denen wir ja einen regen Warenaustausch pflegen, genug dafür getan, Lastwagenfahrer und Reisende für die Risiken ihres Proviants zu sensibilisieren?
In den osteuropäischen Ländern gibt es wie in Deutschland Plakat- und Handzettelaktionen an Rastplätzen
und Grenzübergängen. Ob das nun jeden erreicht und ob jedem bewusst wird, was weggeworfene Nahrungsmittel im schlimmsten Fall anrichten können, kann ich nicht abschätzen. Aber hierzulande ist in den vergangenen Wochen so viel über diese Form der Schweinepest berichtet worden, dass die meisten Bürger informiert sein müssten.
Wie hoch ist das Risiko, dass die Krankheit durch Jäger, die mit infizierten toten Tieren Kontakt hatten, verbreitet wird?
Das Risiko besteht durchaus. Aber man braucht nur einen Tupfer Blut, um den
Erreger nachweisen zu können. Dafür muss derjenige, der das Fallwild findet, das Tier eigentlich nicht anfassen. Ein infizierter Kadaver muss dann sachgerecht aus dem Wald geborgen werden und sollte nicht zuvor zerlegt werden.
Angenommen, die Afrikanische Schweinepest würde Deutschland erreichen: Ist das Risiko einer Übertragung auf Hausschweine hier nicht viel geringer als im Osten, weil Schweine hierzulande selten vor die Tür kommen?
Das ist durchaus der Fall. Zudem haben wir in Deutschland die Schweinhaltungshygieneverordnung, die Grundstandards von Hygienemaßnahmen vorschreibt. Doch letztlich hat es jeder Schweinehalter selbst in der Hand, die Biosicherheitsmaßnahmen im eigenen Stall so hoch wie möglich zu halten. Das Virus fliegt ja nicht hinein. Seine Eintrittspforten sind kontaminierte Kleidung, Schuhwerk, Fahrzeuge, Futter, Einstreu. Wenn es Schwachstellen gibt, müssen diese jetzt geschlossen werden.
Wann wird die Afrikanische Schweinepest Deutschland erreichen?
Das lässt sich schwer abschätzen. Aber wenn man den Ausbreitungsweg dieser Seuche nachzeichnet – von 2007 in Georgien bis 2017 in der Tschechischen Republik – dann sieht man schon, dass es sich dabei um eine reale Gefährdung handelt. Der letzte Ausbruchsherd in Tschechien ist nur rund 300 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt. Nochmal so ein Sprung der Viren wie zuletzt von der Ostgrenze der EU nach Tschechien würde die Krankheit zu uns bringen. Aus der russischen Föderation kennen wir menschengemachte Verschleppungen von mehr als 1000 Kilometern.
Welche Folgen hätte ein Auftreten der Schweinepest in Deutschland für die Schweinezüchter?
Aus den Erfahrungen der Vergangenheit mit der Geflügelpest wissen wir, dass damit zu rechnen ist, dass Drittstaaten einen Importstopp prüfen werden. Aber ob das so kommen wird und in welchem Umfang, ist nicht vorhersehbar. Für den einzelnen infizierten Bestand heißt es, dass alle Tiere getötet werden müssen. Das ist das effektivste Mittel der Tierseuchenbekämpfung.
Der Erreger der Afrikanischen Schweinepest gehört nicht zu den hochansteckenden Viren. Warum ist er dann so gefährlich?
Er ist nicht so ansteckend wie beispielsweise die Maul- und Klauenseuche oder die Klassische Schweinepest. Aber für infizierte Tiere ist er sehr viel tödlicher. Für die Bekämpfung des Virus kann das ein Vorteil sein, weil Tiere nicht zu chronischen Trägern werden.
Wie ist es dem Virus dann gelungen, sich von Georgien bis in die Tschechische Republik vorzuarbeiten?
Bei der Verbreitung über große Strecken hat der Mensch durch die Verbringung von infizierten Tieren und tierischen Produkten die Hauptrolle gespielt. Bei den Wildschweinen konnte sich das Virus dann quasi festsetzen und wird innerhalb der Population von Tier zu Tier weitergegeben. Das dauert dann allerdings deutlich länger und auch die Ausbreitungsgeschwindigkeit ist deutlich langsamer.