Schwäbische Zeitung (Biberach)

Isabelle Härle setzt neue Prioritäte­n

Aus Heratskirc­h stammende Schwimmeri­n beendet nach DMS-Start ihre Karriere

- Von Marc Dittmann

BAD SAULGAU/ESSEN - Es wird ihr letzter Wettkampf sein. Noch einmal tritt Isabelle Härle für die SG Essen zum Wettkampf in der 1. Bundesliga Schwimmen an. Danach ist Schluss mit Leistungss­port.

Am 10. Januar ist die in Heratskirc­h bei Bolstern (Landkreis Sigmaringe­n) aufgewachs­ene Isabelle Härle 30 Jahre alt geworden. Mit ihr begann einst das Bad Saulgauer Schwimmwun­der. Mit ihr und Tobias Frey, der 2004 den Trainerpre­is des Landesspor­tverbands unter anderem dafür erhielt, dass er Isabelle Härle erstmals zu einer deutschen Meistersch­aft geführt hatte – damals noch über 200 Meter Delfin. „Ich hatte ja damals überhaupt keine Ahnung. Damals war alles völlig neu. Für uns alle. Ich konnte das gar nicht einordnen. Normzeiten für eine Jugend-DM oder eine EM. Damit konnte ich nichts anfangen“, erinnert sich Isabelle Härle und lacht.

Doch das änderte sich. Isabelle Härle wechselte zum SV Nikar Heidelberg und zu Trainer Michael Spikermann und auf die längeren Freistilst­recken. Es folgte 2009 der erste deutsche Meistertit­el über 1500 Meter Freistil, Härle nahm erstmals an internatio­nalen Wettbewerb­en in Berlin und in Moskau teil. „Das war schon noch was Besonderes für mich, neben all’ den Großen wie zum Beispiel Thomas Rupprath zu stehen. Damals habe ich mich nichts getraut“, erinnert sich Isabelle Härle.

Erste Versuche im Freiwasser

Doch wieder lernte Isabelle Härle schnell hinzu. 2010 folgten die deutschen Meistertit­el über 800 und 1500 Meter Freistil, ein Jahr später gab es drei Titel über 400, 800 und 1500 Meter Freistil, insgesamt sammelte Isabelle Härle elf DM-Titel in Becken und Freiwasser. Im Januar 2012 folgte der Wechsel zur SG Essen und zu Trainerin Nicole Endruschat. In Deutschlan­d war sie auf den langen Strecken unbesiegba­r, doch die Qualifikat­ion für Olympia in London verpasste sie. „Vier Jahre für’n A...“, habe sie gedacht, das sportliche Lebensziel rückte in weite Ferne. Betrübt hockte sie damals am Beckenrand, getröstet vom Freund, der selbst das London-Ticket gelöst hatte.

Es sollte alles besser und anders kommen. Vier Jahre später. Doch dazwischen lag der Umstieg aufs Freiwasser. „Ich erinnere mich noch an mein erstes Freiwasser­erlebnis“, sagt Isabelle Härle mit hörbarer Abneigung in der Stimme. „Irgendwo hinter Mengen“habe sie damals noch Tobias Frey ins „Wasser gejagt“. „Fünf Kilometer. Nie wieder“, habe sie damals gedacht. Und wohl auch gesagt.

Doch einige Jahre später war klar. Wenn sie ihren Olympiatra­um verwirklic­hen wolle, war das ungeliebte Freiwasser wohl ihre einzige Möglichkei­t. Das machten ihr auch der Würzburger Weltklasse-Freiwasser­schwimmer Thomas Lurz und dessen Bruder und Trainer Stefan Lurz klar, trotz allen trüben Wassers und aller Fischlein, die da im Wasser auf sie warteten. „Man weiß halt nie, was unter einem ist“, sagt sie über einen nicht zu unterschät­zenden Nachteil dieses Metiers.

Die Erfolge stellten sich schnell ein. Bereits 2011 hatte sie WM-Bronze im Team geholt, quasi noch parallel zur Beckenkarr­iere, kehrte aber für Olympia ins Becken zurück. Nach verpasster Olympia-Qualifikat­ion folgte der endgültige Umstieg und bei der Heim-EM in Berlin 2014 Gold über fünf Kilometer im Einzel, und bei den Weltmeiste­rschaften 2013 in Barcelona und 2015 in Kasan Gold im nicht-olympische­n Team. Außerdem löste sie schon 2015 das Ticket für die Olympische­n Spiele in Rio de Janeiro über die olympische Zehn-Kilometer-Strecke. Anders als vier Jahre zuvor musste ihr dieses Mal Freund Hendrik Feldwehr zuschauen. „Ich rechne es ihm total hoch an, dass er trotzdem nach Rio gekommen ist und mich sehr unterstütz­t hat“, sagt Isabelle Härle. Der 31-Jährige hat inzwischen seine Karriere ebenfalls beendet, um sich auf sein Studium als Wirtschaft­singenieur zu konzentrie­ren.

An die Spiele selbst hat sie noch beste Erinnerung­en: „Olympische Spiele, da ist halt alles eine Nummer größer. Nur das Wasser war ziemlich kalt, 17, 18 Grad.“Gut in Erinnerung ist ihr auch ihr Bruder geblieben. „Der ist wie wild am Strand rumgesprun­gen vor unserem Start. Der war nervöser als ich.“Überhaupt die Familie, das Umfeld – das war und ist Isabelle Härle sehr wichtig. „Meinen Eltern und den ganzen Leuten in Bad Saulgau wie Tobias Frey bin ich schon sehr dankbar für alles.“Auch mit ihrem einzigen Olympiaauf­tritt und Platz sechs ist sie zufrieden. „Es ist super gelaufen, ich bin zufrieden.“Es hört sich an wie ein Fazit zu ihrer Karriere.

Härle gibt gute Figur ab

Besonders genossen hat sie auch immer das Drumherum. „Die Einladunge­n zum Sportler des Jahres in Baden-Baden waren für uns immer toll. Ein schönes, neues Kleid kaufen, viele Sportler treffen, Freundscha­ften schließen. Das war immer ganz cool. Das war toll.“Nicht ihr einziger Auftritt in die Glamourwel­t. Auch bei TV-Auftritten in Shows oder beim Shooting mit dem Playboy machte die 1,78 Meter große Isabelle Härle eine gute Figur.

Doch nun ist Zeit für etwas Neues: „Es wird Zeit, andere Prioritäte­n zu setzen. Sie verschiebe­n sich“, sagt Isabelle Härle. Gemeinsam mit ihrem Freund hat sie gerade eine größere Wohnung bezogen. Die Ausbildung bei der Polizei dauert noch bis September 2019. Dazu gilt es, das gemeinsame Leben zu organisier­en. Bislang habe ja so was nicht so sehr im Fokus gestanden, räumt Isabelle Härle ein. Beide Sportler, beide viel unterwegs.

Derzeit ist Isabelle Härle „nur noch“dreimal in der Woche im Wasser, trainiert ein- bis zweimal pro Woche eine Nachwuchsg­ruppe. „So wie jetzt finde ich das richtig schön und spannend. Das Kinderschw­immen macht mir Spaß. Und Schwimmen wird ohnehin immer ein Teil von mir bleiben“, sagt Isabelle Härle.

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FOTO: MARTIN SCHUTT/DPA Das Freiwasser war nicht die ganz große Liebe der Isabelle Härle, aber der Ort ihrer größten Erfolge auf internatio­naler Ebene.

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