Schwäbische Zeitung (Biberach)
Wunden lecken
Saarlands Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer versucht beim 12. Starkbierfest der CDU Sigmaringen, das angeschlagene Selbstvertrauen der Mitglieder aufzupäppeln
SIGMARINGEN - Ist es wirklich erst ein knappes halbes Jahr her, dass sich alle einig waren: Der deutsche Wahlkampf ist eine zum Einschlafen langweilige Veranstaltung, die Parteienlandschaft verkrustet, das einzige, alles überlagernde Aufregerthema die hohe Zahl an Immigranten. Und jetzt? Ein Wahlerfolg der Rechtspopulisten, der die Statik der Republik verändert hat. Eine SPD, die in einem scheinbar unaufhaltsamen Selbstzerstörungsprozess gefangen ist und mit sich ringt, ob sie in eine Koalition eintreten soll, in der sie mit Ideen und Personal fast so reich vertreten wäre, als sei sie die Kanzlerpartei. Eine CDU, in der teilweise Unzufriedenheit herrscht. Und immer noch keine neue Regierung. Mag denn keiner mehr regieren?
„Das ist keine einfache Situation“, findet die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer, die auf Einladung des Sigmaringer Bundestagsabgeordneten Thomas Bareiß zum 12. Starkbierfest in die mit knapp 300 Menschen vollbesetzte Turn- und Festthalle in Laiz gekommen ist. Der Ort hat einen besonders prominenten Einwohner: Baden-Württembergs Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann von den Grünen. In der Festhalle spielt er an diesem Abend aber keine Rolle. Bei Blasmusik, Leberkäs und Bier scheint die christdemokratische Welt ziemlich in Ordnung zu sein. Was braucht man da eine Bundesregierung, vielleicht ist sie auch eher hinderlich, es läuft doch, die Wirtschaft brummt und die Steuereinnahmen sprudeln?
War natürlich nur eine rhetorische Frage von Kramp-Karrenbauer, denn: „Wir brauchen ein System mit stabilen Volksparteien. Der Wähler kann erwarten, dass wir etwas machen aus dem Wahlergebnis.“Die Ministerpräsidentin hat sich als Vertraute der Kanzlerin einen Namen gemacht. Ihr werden gute Chancen eingeräumt, deren Nachfolge anzutreten. Sie ist nicht in erster Linie gekommen, weil sie „neugierig war, wo der Kollege Kretschmann wohnt“, sondern weil dieParteifreunde Zuspruch brauchen nach den jüngsten Entwicklungen und weil sie sie in die Pflicht nehmen möchte für die „gesamtstaatliche Verantwortung“der konservativen Volkspartei CDU. Andere würden der ja nicht gerecht, meint Kramp-Karrenbauer, die deswegen vor allem mit dem „Kollegen Vorsitzenden der FDP“noch ein Hühnchen zu rupfen habe. Christian Lindner habe bei den gescheiterten Jamaika-Verhandlungen zwischendurch weggemusst, um für 5000 Euro am Abend einen Vortrag zu halten, und sich am Ende, „als wir schon ein Ergebnis auf dem Tisch liegen hatten“, aus der Veranwortung gestohlen. Vermutlich sei er auf gewissen Wahlplakaten im Unterhemd gewesen, weil seine Wäscherei gesagt habe: „Besser nicht bügeln als falsch bügeln.“Dafür gibt’s in der Festhalle Lacher und Applaus.
Murrendes Parteivolk
Insgesamt fällt die Kritik an den anderen Parteien aber eher knapp aus in Kramp-Karrenbauers 45-minütiger Rede. Die CDU hat derzeit genug mit sich selbst zu tun; die murrenden, nörgelnden Mitglieder sollen überzeugt werden, dass eine „stabile Regierung“die Opfer wert ist, die die Kanzlerin gemacht hat. „Wer möchte, dass es zugeht wie auf einem Teppichbasar“, sagt Kramp-Karrenbauer, der möge leichtfertig „von einer Minderheitsregierung daherreden“. Die 180 Seiten des Koalitionsvertrags seien gut verhandelt, viel Kluges dort festgeschrieben. „Lassen Sie sich nicht davon ins Bockshorn jagen, dass die SPD behauptet, der Vertrag trage zu 75 Prozent ihre Handschrift.“Ein „Akt der Verzweiflung“sei das angesichts des „freien Falls“, in dem sich die SPD befinde.
Auch was die für die CDU schmerzhafte Ressortverteilung betrifft, nimmt Kramp-Karrenbauer die Kanzlerin in Schutz. „Niemand hätte Verständnis dafür gehabt, wenn Merkel die Verhandlungen deswegen hätte platzen lassen“, sagt die 55-Jährige. „Unser Credo ist immer schon gewesen: erst das Land, dann die Partei, dann die Person.“Natürlich tue es ihr „in der Seele weh“, dass Finanzminister Wolfgang Schäuble nicht mehr im Amt sei, aber was man in den Koalitionsvertrag „hineinverhandelt“habe, sei „CDU pur, darauf können wir stolz sein“, sagt KrampKarrenbauer. Im Übrigen sei es aber doch so, dass die eigentlichen Entscheidungen im Kanzleramt fielen und die „Zukunftsministerien“allesamt in der Hand der CDU geblieben seien.
Im Gegensatz zum Parteikollegen Jens Spahn am Aschermittwoch in Fellbach nimmt sich Kramp-Karrenbauer 31 Minuten Zeit, ehe sie auf das Thema Migration zu sprechen kommt. Auch hier: Merkel pur. Sie verspricht, dass sich eine Situation wie 2015 nicht wiederholen werde, und stellt die administrativen Fortschritte heraus: „Alles ist besser geworden.“Im Übrigen könne man stolz sein, geholfen zu haben. Kramp-Karrenbauer gehört dem Zentralkommitee der Katholiken an, dem C im Parteinamen fühlt sie sich verpflichtet.