Schwäbische Zeitung (Biberach)
Wenn es allein nicht mehr geht
Bei der Telefonaktion der „Schwäbischen Zeitung“beantworten Experten Fragen zum Thema Pflege und Pflegeversicherung
RAVENSBURG - Wenn jemand aus der Familie pflegebedürftig wird, betrifft das immer auch die Angehörigen. Die meisten Frauen und Männer möchten im häuslichen Umfeld bleiben und sind auf die Unterstützung ihrer Kinder, Freunde oder Nachbarn angewiesen. Die Pflegeversicherung hält zahlreiche Angebote vor, die eine Pflege in den eigenen vier Wänden ermöglicht oder erleichtert. Ralf Buschle von der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK), Beate Kempter von der CompassPflegeberatung und Monika Müller vom Sozialverband VdK haben bei der Telefonaktion der „Schwäbischen Zeitung“zum Thema Pflege viele Anrufer beraten. Die wichtigsten Fragen und Antworten:
Ich habe nur den Pflegegrad eins. Kann ich trotzdem die zusätzlichen Entlastungsleistungen in Anspruch nehmen?
Ja. Die zusätzlichen Betreuungs- und Entlastungsleistungen in Höhe von 125 Euro monatlich stehen jedem Pflegebedürftigen von Grad eins bis Grad fünf zu. Es handelt sich dabei um das sogenannte Kostenerstattungsprinzip.
Wir schaffen es nicht mehr, unsere betagten pflegebedürftigen Eltern in ihrem Haus zu betreuen. Wir haben jetzt gemeinsam beschlossen, ein gutes Heim für sie zu suchen. Wie gehen wir da am besten vor?
Sie haben die Möglichkeit, sich beispielsweise im Netz auf den Seiten www.pflege-navigator.de oder www.pflegeberatung.de einen Überblick zu verschaffen. Wenn Sie zwei, drei Einrichtungen in die engere Wahl gezogen haben, ist es empfehlenswert, dort selbst vorbeizuschauen – am besten mit Ihren Eltern. Gut ist es, wenn das Heim in Ihrer Nähe liegt, damit Sie die Eltern, so oft es geht, besuchen können. Schauen Sie, dass die gewählte Einrichtung die pflegerische Leistung für die Eltern übernehmen kann. Achten Sie auch auf Freizeitangebote und den Grad der Zuwendung, den die Bewohner erfahren. In manchen Einrichtungen gibt es auch ein Probewohnen.
Unser Vater ist in einem Pflegeheim und ist auf eine Stoma-Versorgung angewiesen. Wir haben den Eindruck, dass das nicht gut gemacht wird. Was können wir tun?
Wenn es Probleme mit der Pflege im Heim gibt, ist immer die Pflegedienstleitung der erste Ansprechpartner. Sie sollten sich nicht scheuen und das Gespräch so schnell wie möglich mit ihr suchen, damit die Versorgung für Ihren Vater optimal gestaltet wird.
Meine Mutter hat Pflegegrad zwei. Um sie besser versorgen zu können, haben wir das Bad umgebaut und einen Antrag auf den Zuschuss dafür gestellt. Der wurde abgelehnt. Was nun?
Grundsätzlich soll der Antrag auf sogenannte wohnumfeldverbessernde
Maßnahmen bei der Pflegekasse vor einem Umbau gestellt werden. Wenn zum Beispiel der Umbau des Bades nachweislich die Pflege Ihrer Mutter erleichtert, wird dann ein solcher Antrag in der Regel bewilligt. Danach kann mit dem Umbau begonnen werden. Sie sollten Widerspruch gegen den Bescheid einlegen und darlegen, dass sich die Pflegesituation Ihrer Mutter nachweislich erleichtert hat. Eventuell kann dann eine Kulanzregelung greifen.
Wir haben für meine Mutter Sachleistungen vereinbart. Als die Abrechnung kam, stellten wir fest, dass Leistungen draufstanden, die gar nicht stattgefunden haben. Was machen wir jetzt?
Wenn man Sachleistungen vereinbart, gibt es dafür einen Vertrag mit dem ambulanten Pflegedienst. Darin ist festgehalten, was wann genau und zu welchem Preis gemacht wird. Schauen Sie sich also noch einmal genau den Vertrag an. Gibt es tatsächlich Diskrepanzen, setzen Sie sich mit der Leitung des Pflegedienstes in Verbindung, um diese auszuräumen. Was nicht gemacht wird, muss nicht bezahlt werden. Was gemacht wurde,ist anhand des Leistungsnachweises nachzuvollziehen.
Unsere Tochter leidet unter Depressionen und muss von uns betreut werden. Sie steht nicht auf, bereitet sich kein Essen zu. Wir haben einen Antrag auf einen Pflegegrad gestellt. Der wurde vor einer Woche abgelehnt. Wie geht es weiter?
Wenn Ihre Tochter in ihrer Alltagskompetenz durch die Depressionen erheblich eingeschränkt ist, dass sie den Alltag nicht mehr selbstständig bewältigen kann, können Sie innerhalb der Frist von vier Wochen Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid einlegen. Und nutzen Sie unbedingt, die jedem Pflegeversicherten zustehende Pflegeberatung, die kann Ihnen helfen, die Situation einzuschätzen und die notwendigen Schritte einzuleiten.
Meine Mutter hat Pflegegrad drei. Wir haben jetzt ein Angebot der Sozialstation für eine Betreuung in Höhe von monatlich 800 Euro. Damit schöpft sie die zustehenden Sachleistungen in Höhe von 1298 Euro nicht aus. Was geschieht mit dem Rest?
Beantragen Sie bei der Pflegekasse Ihrer Mutter eine sogenannte Kombi-Leistung. Dann werden die nicht in Anspruch genommenen Sachleistungen anteilig als Pflegegeld ausgezahlt. Das kann Ihnen die Pflegekasse genau ausrechnen.
Unsere Eltern, die mittlerweile Pflegegrad drei haben, beschlossen, gemeinsam in ein Pflegeheim zu ziehen. Inwieweit werden wir als Kinder für die Finanzierung in die Pflicht genommen?
Um die Heimplätze zu bezahlen, werden die Leistungen der Pflegeversicherung sowie das Einkommen und Vermögen Ihrer Eltern genutzt. Reichen diese Quellen nicht aus, um alles zu finanzieren, können beide beim zuständigen Sozialamt einen Antrag auf Hilfe zur Pflege stellen. Das springt dann zwar ein, prüft aber seinerseits, ob und in welcher Höhe Sie als Kinder sich an den Kosten beteiligen müssen. Dabei kommen aber diverse Freibeträge in Anrechnung, Ihre sozialrechtliche Stellung findet ebenso Berücksichtigung wie beispielsweise die Ausbildungssituation Ihrer im Haushalt lebenden Kinder.
Mein Mann kommt in Kürze als Pflegefall aus dem Krankenhaus. Ich weiß gar nicht, wie ich das in unserem Haus bewältigen soll. Kommen Pflegeberater auch ins Haus, um die Möglichkeiten zu erklären?
Ja. Die Pflegeberatung findet in der Regel innerhalb von zwei Wochen nach Anforderung statt – auf Wunsch auch in der Wohnung des Pflegebedürftigen. Zuständig ist die Pflegekasse Ihres Mannes – falls er privat versichert sein sollte – die bundesweit agierende CompassPflegeberatung. In der Region stehen
zudem Pflegestützpunkte zur Verfügung. Diese Beratung können Sie auch als Angehörige erhalten, ohne dass Ihr Mann dabei sein muss. Fordern Sie eine solche Pflegeberatung umgehend an. Neben Informationen über das Begutachtungsverfahren und alle Leistungen der Pflegeversicherung können auch Listen der regionalen Pflegeanbieter eingesehen werden.
Mein Mann ist an Alzheimer erkrankt und hat den Pflegegrad fünf. Er geht jetzt in die Tagespflege. Das wird mittelfristig nicht mehr möglich sein. Dann müsste ich die häusliche Pflege neu organisieren. Kann dafür das Budget der Tagespflege genutzt werden?
Das ist nicht möglich.
Ich bin so weit noch fit. Aber was, wenn sich das ändert? Mein Haus ist nicht gerade auf Pflegebedürftigkeit eingerichtet. Wer kann mir schon mal vorsorglich sagen, was ich eventuell jetzt schon machen kann?
Dass Sie jetzt schon daran denken, ist sehr löblich. Fragen Sie bei Ihrer Pflegekasse nach einer individuellen Pflegeberatung. Neben Tipps, wie man beispielsweise Barrieren beseitigen kann, gibt es Hinweise zur Finanzierung solcher Vorhaben. Ohne Pflegegrad steht Ihnen zwar der Zuschuss der Pflegekasse für wohnumfeldverbessernde Maßnahmen nicht zu, aber es gibt alternativ Förderprogramme des Bundes und des Landes, die altersgerechtes Umbauen bezahlbar machen.
Unsere Tochter hat jetzt den Pflegegrad drei. Ich möchte aus diesem Grund nun weniger arbeiten und sie zu Hause betreuen. Dann fehlen mir jedoch Beiträge für die Rentenkasse. Kann die Pflegekasse das ausgleichen?
Ja. Aber es sind Voraussetzungen einzuhalten. Sie dürfen nicht erwerbsmäßig pflegen, aber mindestens zehn Stunden in der Woche an zwei Tagen. Und Sie dürfen nur 30 Stunden in der Woche Ihrem Job nachgehen. Dann kommt die Pflegekasse für Ihre soziale Absicherung auf. Stellen Sie bei der Pflegekasse Ihrer Tochter einen entsprechenden Antrag, damit die Rentenbeiträge bei Ihrem Rentenversicherungsträger eingezahlt werden können.
Kann mein Mann den Zuschuss für den Umbau des Bades auch bekommen, obwohl er nur den Pflegegrad eins hat?
Ja. Den Zuschuss in Höhe von 4000 Euro für eine die Pflegesituation erleichternde Umbaumaßnahme bekommt man, wenn einer der fünf Pflegegrade vorliegt. Ihr Mann stellt den Antrag darauf bei seiner Pflegekasse und fügt einen Kostenvoranschlag bei. Beginnen Sie aber erst mit dem Umbau, wenn der Bewilligungsbescheid vorliegt.
Unser Vater hatte vor drei Jahren die Pflegestufe zwei und zog ins Heim. Jetzt ist auch unsere Mutter mit Pflegegrad drei dort eingezogen. Aber sie bekommt geringere Zuschüsse. Warum?
Ihr Vater war bereits 2016 Heimbewohner und hat deshalb Bestandsschutz. Der Zuschuss wird deshalb in gleicher Höhe weitergezahlt. Die Differenz der pflegebedingten Aufwendungen wird im Rahmen einer Besitzstandsregelung erstattet. Für Ihre Mutter gelten hingegen die neuen beziehungsweise aktuellen Regelungen.
Ich nutze den Zuschuss für die zum Verbrauch bestimmten Pflegehilfsmittel nicht aus. Ich benötige monatlich nur 20 Euro. Kann ich den Rest ausgezahlt bekommen?
Der Zuschuss beträgt monatlich bis zu 40 Euro. Wenn Sie das Geld nicht in diesem Umfang benötigen, wird es jedoch nicht ausgezahlt.
Ich bin jetzt 90. Steht mir da eine Leistung der Pflegeversicherung zu?
Alter ist nicht entscheidend, um einen Pflegegrad zu bekommen und damit automatisch Anspruch auf Pflegeleistungen zu haben. Der Grad der Selbstständigkeit, mit dem Sie Ihren Alltag bewältigen, spielt eine Rolle. Schaffen Sie das nicht mehr ohne dauerhafte fremde Hilfe, werden Sie unter bestimmten Voraussetzungen als pflegebedürftig eingestuft.