Schwäbische Zeitung (Biberach)
Unkompliziert, den Menschen zugewandt, umfassend theologisch gebildet
Kardinal Walter Kasper wird heute 85 Jahre alt – Gefeiert wird in Rom mit einem Gottesdienst und einem akademischen Abend – Verwandte und Mitarbeiter sind dabei
ULM - Im Besprechungsraum des Vorstands der Sparkasse Ulm steht ein bemerkenswertes Möbelstück: das „Kardinalsbänkle“. „Hier hat Kardinal Walter Kasper, als er vor einiger Zeit bei uns im Haus war, zwischen zwei Terminen in Ulm ein Mittagsschläfchen gehalten“, berichtet Sparkassen-Vorstandschef Manfred Oster. Kasper habe ein komfortables Zimmer abgelehnt und aus einem Handtuch ein Kopfkissen gefaltet: „Und dann hat er sich ausgeruht.“
Diese kleine Episode ist typisch für Kasper, den Kurienkardinal, den ehemaligen „Ökumeneminister“des Vatikans und emeritierten Präsidenten des Päpstlichen Einheitsrates, der heute seinen 85. Geburtstag feiert. Im Umgang völlig unkompliziert, den Menschen zugewandt, von umfassender theologischer Bildung, weltweit anerkannt und in der Kirche verwurzelt, blickt Kasper auf ein Leben für die „Freude der Christen“zurück. Nicht nur sein neuestes Buch heißt so: „Nach Papst Franziskus ist die Freude die Kennkarte, die ,identity card’ des Christen“, sagt Kasper.
Mit Franziskus verbindet ihn eine besondere theologische wie menschliche Nähe: Das Kirchenoberhaupt aus Argentinien hat dem Theologen aus dem Allgäu wiederholt öffentlich seine besondere Wertschätzung bekundet. Bei seinem ersten Sonntagsgebet auf dem Petersplatz lobte der neue Papst den deutschen Kardinal und dessen Buch über „Barmherzigkeit“– was ein Leitwort seines Pontifikats werden sollte.
Am 5. März 1933 im schwäbischen Heidenheim geboren und in Wangen/Allgäu als Lehrersohn aufgewachsen, erlebte Kasper im Krieg die Zerstörung seines Dorfes. Schon mit 31 Jahren war er Dogmatikprofessor in Münster; später wechselte er nach Tübingen. Seine Bücher wurden in viele Sprachen übersetzt. 1989 ernannte ihn Johannes Paul II. zum Bischof von Rottenburg-Stuttgart. Zehn Jahre später kam die Ernennung zum Sekretär des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen. 2001 ernannte der Papst ihn zum Kardinal und übertrug ihm das Amt des Präsidenten des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen.
Elf Jahre lang hat der frühere deutsche Theologieprofessor und Bischof von Rottenburg-Stuttgart im Vatikan die Belange der Ökumene koordiniert und gefördert. Im Auftrag der beiden Päpste führte er Dialoge mit fast allen christlichen Kirchen, förderte er die bilateralen Kontakte und erarbeitete eine Fülle von Konsensdokumenten mit weitreichenden theologischen Gemeinsamkeiten.
In diesen Tagen freut sich Kasper über konkrete Schritte in der Ökumene. Zum Beispiel: Die katholischen Bischöfe hatten bei ihrer Vollversammlung vor zwei Wochen in Ingolstadt mehrheitlich beschlossen, konfessionsverschiedenen Ehepartnern im Einzelfall eine gemeinsame Teilnahme an der Eucharistie ermöglichen zu wollen. Hintergrund ist der hohe Anteil konfessionsverschiedener Ehen in Deutschland. Sie stellten die Seelsorger vor eine „dringende pastorale Aufgabe“. Für Kasper ist dieser Schritt die Umsetzung päpstlicher Schreiben aus der Zeit Johannes Pauls II.: „Das ist keine Revolution“, sagt der Kardinal: „Wenn Eheleute miteinander leben, beten und erziehen, dann sollen sie am Altar nicht mehr getrennt sein.“
Der Wunsch: ein Neuanfang
Um die Kirche in Deutschland sorgt sich Kasper sehr: „Sie ist momentan in der Gefahr eines Rückbaus. Das ist zum Teil notwendig, aber nichts, das begeistert. Ein Rückbau muss verbunden sein mit der Hoffnung auf einen neuen Aufbau. Das sehe ich derzeit nicht und würde mir manche neuen Ideen und Perspektiven wünschen“, sagte er in einem Interview.
Zum Geburtstag wünscht er sich einen Neuanfang: „Ein Aufbruch in der Kirche muss immer zuerst ein geistlicher Aufbruch sein, sonst läuft er ins Leere. Im Leben, im Glauben, im Gebet.“Viele Aufgaben könnten Laien übernehmen, aber nicht alle: „Daher brauchen wir auch einen Aufbruch bei der Sorge und beim Gebet für mehr Priesternachwuchs.
„Seit 2013 bin ich aus allen Verpflichtungen entlassen“, berichtet Kasper im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“, „ich habe jetzt wieder mehr Zeit für die Theologie.“Weiter hat er sich Besuche in Deutschland und Italien vorgenommen: „Und ich helfe gerne aus, feiere Gottesdienste in römischen Pfarreien, predige dort.“Zusammengefasst: „Ich habe ein volles Programm.“
Den Geburtstag wird der Jubilar in Rom feiern: „Mit meinen nächsten Verwandten und einigen ehemaligen Mitarbeitern.“Gäste aus Wangen werden erwartet, auch wird eine Delegation aus Rottenburg unter Leitung von Kaspers Nachfolger, Bischof Gebhard Fürst, nach Rom reisen.
Das Programm ist nach Kaspers Geschmack: „Am Abend wird es in der Kirche Santa Maria dell’Anima einen Gottesdienst und anschließend einen akademischen Akt geben mit Vorträgen über den theologischen Weg, den ich gegangen bin. Das habe ich mir so gewünscht.“