Schwäbische Zeitung (Biberach)
Schwerbehinderten stehen viele Hilfen zu
Betroffene können früher in Rente, bekommen mehr Wohngeld und genießen besonderen Kündigungsschutz
SCHORNDORF - 7,6 Millionen Menschen in Deutschland sind derzeit als schwerbehindert anerkannt – rund 3,3 Millionen von ihnen sind im erwerbsfähigen Alter und haben Anspruch auf viele Hilfen. Je nach Grad der Behinderung gibt es Steuerfreibeträge zwischen 310 und 3700 Euro.
17 Tage lag Frank Lüdemann im Koma. Als er wieder zu sich kam, konnte er nicht sprechen, gehen oder selbstständig essen. 18 Monate war er nach seinem Schlaganfall „raus“, wie er sagt. Er wurde als schwerbehindert anerkannt. Inzwischen kann er sich wieder bewegen. Die alte Tätigkeit als Gabelstaplerfahrer bei 3M in Hilden kann er jeodoch nicht mehr ausüben. Doch mit Unterstützung der Schwerbehindertenvertretung des Unternehmens hat er nun einen Job im Büro. Die Anerkennung als Schwerbehinderter brachte ihm zudem einen besonderen Kündigungsschutz, einen Behindertenparkplatz und fünf Tage mehr Urlaub. Grad der Behinderung: Viele Handicaps fallen kaum auf. Herzkrankheiten, Krebs, Depressionen – wegen dieser Leiden wird eine Schwerbehinderung häufig anerkannt. Chancen darauf haben auch Rheumakranke mit erheblichen Funktionseinbußen und zahlreiche
Diabetiker. Als schwerbehindert gilt, wer nach der VersorgungsmedizinVerordnung einen Grad der Behinderung von 50 erreicht. Zuständig für die Anerkennung sind die örtlichen Versorgungsbehörden.
Auf die Ärzte kommt es an: Arbeitnehmer sollten sich vor einer Antragstellung in jedem Fall von der Schwerbehindertenvertretung beraten lassen – falls es diese im Betrieb gibt. „Wer einen Schwerbehindertenantrag stellen möchte, spricht am besten vorab mit seinen Ärzten“, rät Daniel Ubber, Schwerbehindertenvertreter bei 3M. Wichtig ist dabei: „Die Betroffenen müssen die Ärzte konkret und anschaulich über ihre
Gesundheitsprobleme informieren.“Denn viele Leiden – etwa Bandscheibenvorfälle – wirken sich höchst unterschiedlich aus.
Antragstellung: Im Antrag muss man seine Ärzte von der Schweigepflicht befreien. „Wird der Antrag abgelehnt, so lohnt es sich meist in Widerspruch zu gehen“, so Ubber. Dabei sollte man verlangen, die zugrundeliegenden ärztlichen Unterlagen zugeschickt zu bekommen. „So kann man kontrollieren, ob überhaupt alle Ärzte vom Amt angeschrieben wurden und ob die Ärzte alle Befunde berücksichtigt haben.“
Rentenvorteile: Nur Schwerbehinderte können noch vor dem 63. Geburtstag in Altersrente gehen. Wer etwa 1957 geboren wurde, kann die „Schwerbehindertenrente“bereits mit 60 Jahren und elf Monaten erhalten – muss dann allerdings Rentenabschläge von 10,8 Prozent in Kauf nehmen. Mit 63 Jahren und elf Monaten gibt es die Rente für den Jahrgang 1957 ohne Abschläge.
Kündigungsschutz: Bevor Firmen Schwerbehinderten kündigen können, müssen sie die Zustimmung des Integrationsamtes einholen. Dieses wägt zwischen den Interessen des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers ab. Es kann auch Lösungen ins Spiel bringen, wie etwa eine Anpassung des Arbeitsplatzes.