Schwäbische Zeitung (Biberach)
Ein Hauch der Côte d’Azur zu spüren
Jürgen Batscheider zeigt seine Werke im Fruchtkasten in Ochsenhausen
OCHSENHAUSEN - Der Memminger Maler und Bildhauer Jürgen Batscheider hat am Sonntag mit seinen beeindruckenden Bildern und Skulpturen die diesjährige Ausstellungsreihe im Fruchtkasten in Ochsenhausen eröffnet. Eine einstimmende und poetische Umrahmung der Ausstellung erfolgte durch literarische Werke der Schriftstellerin Marion Vera Forster. Für die musikalische Inszenierung sorgte die Jugendmusikschule der Stadt Ochsenhausen, die Begrüßung der Besucher übernahm Ochsenhausens Bürgermeister Andreas Denzel. Die Arbeiten sind bis zum 6. Mai zu sehen.
Im Fokus der ausgewählten Werke stehen der Mensch und seine Faszination für das Meer, sei es als Transportweg, Inspirationsquelle oder Heimat zahlreicher Mythen. Das unbändige Meer zieht die Menschen seit jeher in seinen Bann. So erkennt man auch in Batscheiders Acrylmalerei die atmosphärische Mystik und kraftvolle Schönheit des Meers. Abstrakt festgehalten in Tönen, einiger weniger Farben spürt der Betrachter die wallenden Emotionen, die der Anblick natürlicher Schönheit beim Künstler hervorruft.
Erfahrungen fließen mit ein
Auf großen Leinwänden wird die unerschöpfliche Lebendigkeit der Landschaft und Kraft der Wellen nicht einfach nur dargestellt. Durch die Hand des Künstlers kann der Betrachter die Ruhe und Dynamik, Licht und Wasser, die Symbiose aus Beständigkeit und Veränderung quasi spüren. Die persönliche Erfahrung, die Jürgen Batscheider in seine Werke einfließen lässt, entsteht vorwiegend im Freien bei seinem Winteratelier an der Côte d’Azur in Port Grimaud. Die berühmte Küste, welche auch schon Künstler wie Auguste Renoir, Henri Matisse und Pablo Picasso inspiriert hatte, bietet in den Wintermonaten ideale Bedingungen, um Kunst dort zu erschaffen, wo das Leben sich abspielt: in der freien Natur.
Die Natur ist sogleich auch der wesentlichste Baustein, um die innige Beziehung des Künstlers zum Meer auszudrücken. Seine Skulpturen formt der Bildhauer unter anderem aus Holz, Marmor und Granit. Die vielfältigen Schattierungen seiner Ausdrucksweise zeigen sich bildhaft in den „Boatpeople“, einer beeindruckenden Kreation aus Fassdauben und Holzfiguren. Die Installation ist der Inbegriff von Reisenden auf dem Meer. Sie stellen eine zielgerichtete Gemeinschaft dar, ihre Blickrichtung streng nach vorne, starr wirken sie in ihrer Entschlossenheit, ihre Aufmerksamkeit gefesselt von ihrer Reise und den Gefahren des Meers.
Trotz dieser Gefahren ist es das Meer, welches dem Menschen in den vergangenen Jahrhunderten eine Mobilität zwischen den Kontinenten ermöglichte, die der Maler als „Motor menschlicher Entwicklung“bezeichnet. So ist sein jüngst mit dem Kunstpreis am Schloss Garatshausen in 2014 für politisches und soziales Engagement ausgezeichnetes Werk „Boatpeople“das Ergebnis seiner intensiven Auseinandersetzung mit diesem Thema.
Hautnahe Konfrontation
Der Begriff „Boatpeople“wurde von dem deutschen Journalisten und Mitbegründer der Organisation Cap Anamur Rupert Neudeck geprägt. Er und seine Frau Christel haben mit der Rettung tausender vietnamesischer Flüchtlinge aus dem südchinesischen Meer nach der kommunistischen Wiedervereinigung Vietnams für weltweites Aufsehen gesorgt.
Die Freundschaft mit einem der ehemaligen Flüchtlinge gewährte Batscheider eine hautnahe Konfrontation mit dem Schicksal eines Menschen, der die Heimat zurücklassen musste.
Der Bezug zu den Flüchtlingen in der heutigen Zeit liegt nahe und inmitten der Installation kann sich der Betrachter als Teil des Schwarms fühlen, der aufs Meer hinauszieht in eine unbekannte Zukunft. Die Gemeinschaft hat einige Gewässer in Europa bereist, Sand und Salz zeugen von den Aufenthalten der „Boatpeople“auf dem Gewässer der azurblauen Küste. Die Installation der Skulpturen an den Küsten Europas ist ein Teil der Wanderausstellung, dokumentiert vom Fotografen Andreas Marx, dessen Bilder die Ausstellung im Fruchtkasten begleiten. Die Stationen der „Boatpeople“sind auf einer Landkarte auf der Homepage des Künstlers vermerkt, sie zeugen von einer langen Reise, die bestimmt eine Fortsetzung finden wird. Denn es gibt ihn, wie von Marion Vera Forster treffend formuliert, den Ort, an dem man sagen kann: „Hier geht es weiter“.