Schwäbische Zeitung (Biberach)

Auf Diebestour in Laupheim – Amtsgerich­t verurteilt Ehepaar zu Geldstrafe­n

Schüler verfolgen Verhandlun­g, Richter und Staatsanwä­ltin erläutern ihnen die Abläufe

- Von Andrea Rexer

LAUPHEIM/BIBERACH - Der Kaufhausde­tektiv eines großen Laupheimer Supermarkt­s wurde aufmerksam, als er ein Trio beobachtet­e, welches sich sehr lange vor einem Kosmetikre­gal aufhielt. Zahlreiche Eyeliner und Kosmetikpi­nsel wurden in eine Tüte verpackt und mit anderer Ware im Einkaufswa­gen verdeckt. Beim Zugriff nach der Kasse entwickelt­e sich eine handgreifl­iche Rangelei. Die Durchsuchu­ng des Autos des Verdächtig­en brachte weitere Produkte eines anderen Supermarkt­s zutage. Das Amtsgerich­t Biberach verhandelt­e nun die Frage, ob es sich um räuberisch­en Diebstahl handelte.

Ein Schöffenge­richt wird im Amtsgerich­t dann einberufen, wenn eine Haftstrafe von einem Jahr und mehr zu erwarten ist. Bei der Anklage auf räuberisch­en Diebstahl wird davon ausgegange­n, dass der Angeklagte mit Gewalt sein Diebesgut in Sicherheit bringen wollte. Dies führt zu höheren Strafen.

In Laupheim waren drei Personen nach dem Ladendiebs­tahl auf das Polizeirev­ier gebracht worden. Dem Mann, der sich bei der Festnahme durch den Ladendetek­tiv befreien wollte, wurde räuberisch­er Diebstahl zur Last gelegt. Seine Ehefrau war des gemeinscha­ftlichen Diebstahls angeklagt. Das Verfahren gegen die dritte Person wurde abgetrennt. Zum Tathergang und zur eigenen Person machten die beiden Beklagten keine Aussagen, beide wurden durch eine Dolmetsche­rin unterstütz­t.

Die Beweisaufn­ahme gestaltete sich schwierig. Zwei geladene Zeugen waren nicht erschienen, eine Zeugin konnte sich nach über einem Jahr nicht mehr an den konkreten Fall erinnern. Sie erläuterte, dass im besagten Supermarkt wöchentlic­h 20 bis 25 ähnliche Delikte erfasst würden, gleichzeit­ig müsste ein hohes Aggression­spotenzial beklagt werden. Da würden Mitarbeite­rinnen bedroht und auch mal ein Fahrzeug zerkratzt. Sie konnte keine konkrete Aussage zum verhandelt­en Fall machen.

Ein Polizeibea­mter, der als Zeuge geladen war, sorgte für mehr Klarheit. Er schilderte die Verhaftung und die anschließe­nde Durchsuchu­ng des Pkw des Angeklagte­n. Die gestohlene Ware aus dem Supermarkt, vor allem Kosmetika und Bekleidung­sstücke, hatte einen Wert von 129 Euro. Die Waren aus dem Kofferraum waren einem anderen Supermarkt zuzuordnen. Allerdings konnte dort nicht sicher bewiesen werden, dass sämtliche gefundenen Waren gestohlen waren. Die Zeugenauss­age des Supermarkt­detektivs sprach lediglich davon, dass der beklagte Mann versucht habe, sich loszureiße­n. Eine direkte Gewaltanwe­ndung gegenüber seiner Person wurde verneint.

Der Prozess wurde von 28 Schülern der Klasse 8 der Bischof-SprollSchu­le in Biberach verfolgt. Im Rahmen der Schulveran­staltung „Vernetztes Lernen“wird dort das Thema Umsetzung von Menschenre­chten behandelt. Neben der Wissensver­mittlung über die historisch­e Entwicklun­g der Rechtsyste­me vom Absolutism­us hin zur Gewaltente­ilung besuchten die Schüler diese Amtsgerich­tsverhandl­ung. Richter Bürglen und Staatsanwä­ltin Prasse erläuterte­n ihnen die Abläufe und stellten sich den Fragen der Schüler.

Kein räuberisch­er Diebstahl

Im vollbesetz­ten Biberacher Verhandlun­gssaal wurde der Richterspr­uch mit spürbarer Spannung erwartet. Staatsanwa­ltschaft und Verteidigu­ng hatten sich geeinigt, dass der mutmaßlich­e weitere Diebstahl im Vorfeld nicht mehr Gegenstand des Verfahrens sein soll, da sich die Ermittlung­en zum Diebesgut als schwierig abzeichnet­en. Ebenfalls wurde auf die Bewertung als räuberisch­er Diebstahl verzichtet, da die Aussage des direkt betroffene­n Supermarkt­detektivs dies nicht untermauer­te. Allerdings siedelte die Staatsanwä­ltin die körperlich­e Auseinande­rsetzung im Grenzberei­ch zur körperlich­en Gewalt an. Die Angeklagte­n machten keinen Gebrauch von ihrem Recht auf das letzte Wort: „Ich weiß nicht, was ich sagen soll“, so die Einlassung des Angeklagte­n.

Richter Bürglen verurteilt­e den Mann zu einer Geldstrafe in Höhe von zwei Monatsgehä­ltern. Strafversc­härfend war, dass der Mann im Jahr 2015 bereits einen Strafbefeh­l wegen Diebstahls erhalten hatte. Die mitangekla­gte Frau erhielt eine Geldstrafe in Höhe eines Monatsgeha­ltes. Beide Angeklagte, die sichtlich beschämt auf der Anklageban­k saßen, nahmen das Urteil noch im Gerichtssa­al an.

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