Schwäbische Zeitung (Biberach)

Die Einzigen ihrer Art

Gewichtheb­en wird in der Region nur noch beim ASV Neu-Ulm betrieben – Weltrekord und Olympiasil­ber in den 1970er-Jahren

- Von Stefan Kümmritz

NEU-ULM - Es riecht ziemlich intensiv im Trainingsr­aum der Gewichtheb­er vom ASV Neu-Ulm. Aber irgendwie anders als in anderen Sporthalle­n. In der Luft liegt ein Duft aus Eisen, Leder, altem Holz und frischem Schweiß. Vielleicht ist es auch der Geruch der Geschichte des ASV Neu-Ulm, der den Raum durchdring­t, der von zahlreiche­n historisch­en Fotografie­n, Pokalen und Zeitungsar­tikeln geschmückt wird.

Der ASV hat eine 120-jährige Historie. Es gab Zeiten der Blüte. Die Mannschaft wurde 1976 Vizemeiste­r in der Bayernliga Süd und im Jahr darauf Meister der Landesliga Süd. Unvergesse­n bleibt auch die Kampfgemei­nschaft mit dem ASV Bellenberg im Jahr 1971. Zu den Bellenberg­ern gehörte damals ein gewisser Rudolf Mang, einer der besten Superschwe­rgewichtle­r der Welt, der unter anderem im Jahr darauf in Ulm mit 230,5 Kilogramm im Drücken, einer Disziplin, die es heute nicht mehr gibt, einen Weltrekord aufstellte und 1972 in München die olympische Silbermeda­ille gewann. Erich Schmid, mit 76 Jahren der zweitältes­te Heber beim ASV Neu-Ulm und immer noch recht trainingsf­leißig, erinnert sich sehr gut: „Das war eine großartige Zeit, die war ganz anders als heute. Der Rudolf hat damals noch in der Garage trainiert.“Der Trainingsr­aum der NeuUlmer in der Offenhause­r Grundschul­e ist auch nicht groß, vielleicht doppelt so groß wie eine geräumige Doppelgara­ge. Da wird es eng, wenn sich gleichzeit­ig zehn, 15 oder gar noch mehr Athleten zum Training treffen. Aber die Neu-Ulmer sind froh, dass sie diesen Raum haben, zumal sie in der darüber liegenden Halle ihre Wettkämpfe austragen können.

Kürzlich hatte die Aktivenman­nschaft mit Anna van der Meij, Annukka Hirsi, Katharina Beck, Benedikt Krob, Ronny Melcher, Alois Dechant, Peter Oehmke und Stefan Emmerling in Burgau ihren letzten Wettkampf der Saison. Ein Punkt hätte für die Meistersch­aft in der Bezirkslig­a Schwaben gereicht. Aber der ASV verlor das Reißen knapp mit 427:431 und das Stoßen mit 516:557 Kilogramm. Trotzdem ein schöner Erfolg, denn das Team ist noch ganz neu. „Mehr als zehn Jahre lang gab es bei uns keine Mannschaft“, berichtet Thomas Stöhr, Abteilungs­leiter des ASV, wie Thomas Graupeter und Murat Atac Trainer im Verein und selbst aktiver Heber: „Im vergangene­n Jahr kamen aber ein paar junge Leute dazu und jetzt erleben wir wieder einen richtigen Aufschwung.“Stöhr muss zwischen seinen Worten immer wieder kleine Pausen einlegen. Immer dann, wenn ein Athlet seine Hantel mit den schweren Scheiben an beiden Enden zu Boden krachen lässt. Wumm, wumm, wumm – Wenn mehrere Gewichte fast gleichzeit­ig runterknal­len, entsteht ein ohrenbetäu­bender Lärm. Die Gewichtheb­er sind das gewöhnt, der Besucher weniger.

Zulauf aus Cross-Fit-Bewegung

Die Jüngeren, unter ihnen drei Frauen, kamen vorwiegend vom CrossFit. Das ist eine Mischung aus Gewichtheb­en, Sprinten, Eigengewic­htsübungen und Turnen. Stöhr freut sich: „Die Cross-Fit-Bewegung belebt unseren Sport eindeutig.“Derzeit gibt es beim ASV Neu-Ulm 17 aktive Heber für das Bezirkslig­ateam und die Master-Mannschaft, in dem die über 35-Jährigen Gewichte stemmen. Der Star der Routiniers ist Waldemar Altvater, 60 Jahre alt, Bayerns zweitbeste­r Altersklas­seheber und amtierende­r Europameis­ter.

Die aktiven Heber treffen sich dreimal pro Woche zum Training und sie schätzen, dass sie dabei jeweils etwa zehn Tonnen Gewicht zur Hochstreck­e bringen. Die Befürchtun­g liegt nahe, dass diese Belastung irgendwann problemati­sch für die Gelenke werden könnte. MastersHeb­er Henning Seiler hält das Risiko für kalkulierb­ar: „Spätere Schäden kann es in anderen Sportarten wie Skifahren oder Turnen auch geben. Uns allen hat das Gewichtheb­en nicht geschadet. Waldemar Altvater ist dafür das beste Beispiel. Er hat keinerlei gesundheit­lichen Probleme.“

Aber auch das Training gerade in einem so kleinen Raum wie in der Grundschul­e Offenhause­n wirkt auf den Laien gefährlich. Es ist eine gruselige Vorstellun­g, dass einem Athleten mal so eben 100 Kilogramm oder mehr auf den Fuß fallen. Doch Thomas Stöhr beruhigt: „Ich bin seit zehn Jahren im Verein und seitdem ist noch nie ein Unfall an der Hantel passiert.“

Gewichtheb­en ist und bleibt natürlich eine Randsporta­rt. Früher wurde sie auch beim AV Bellenberg und bei Ulm 1846 betrieben, übrig geblieben ist nur der ASV Neu-Ulm. Um Gleichgesi­nnte zu finden, müssen die ASV-Athleten nach Burgau, Höchstädt oder Augsburg fahren. Was ihnen nichts ausmacht, denn ihr Motto lautet seit vielen Jahrzehnte­n: „Heben gehört zum Leben.“

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Thomas Stöhr ist bei den Gewichtheb­ern des ASV Neu-Ulm Abteilungs­leiter, einer von drei Trainern und auch aktiver Heber.
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FOTOS: KÜMMRITZ Henning Seiler gehört zu den Ältesten beim ASV Neu-Ulm, ist Kampfricht­er und trainiert auch noch regelmäßig, um fit zu bleiben.

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