Schwäbische Zeitung (Biberach)
Fürstäbtissin plaudert aus dem Nähkästchen
Stadtführerin lässt als Maximiliana von Stadion die alte Größe des Stifts auferstehen
BAD BUCHAU - Einmal im Monat schlüpft Charlotte Mayenberger in ein langes, fließendes Kleid aus schwerem, nachtblauem Stoff, legt eine himmelblaue Schärpe an und setzt ein Häubchen auf. Dazu noch eine lange Perlenkette mit Kreuz und ein ebenfalls blaues Handtäschchen als Accessoire, eine würdevoll-gestrenge Miene aufgesetzt, fertig: Die Buchauer Stadtführerin hat sich in Maria Maximiliana von Stadion zu Thannhausen und Warthausen verwandelt, die letzte Fürstäbtissin des Freiweltlichen Damenstifts zu Buchau. Bei ihrem Gang durch die ehemaligen Stiftsgebäude lässt sie deren alte Größe auferstehen und plaudert so manches aus dem Nähkästchen.
Fürstäbtissin Maximiliana erscheint – und kanzelt die Besuchergruppe am Portal der Schlossklinik gleich ordentlich ab. Denn eigentlich hätten die ja hier, hinter den Mauern des Stifts, gar nichts zu suchen. Wie sie denn um Himmels Willen durch das Tor gekommen seien, will Maximiliana wissen – um sich dann gleich weiter zu echauffieren: „Ist das nicht unverschämt? Ein Torwärter, der nicht seine Pflicht erledigt!“
Doch die Teilnehmer der besonderen Stadtführung – überwiegend Kurgäste, darunter auch eine treue Wiederholungstäterin – sind vorgewarnt. „Ich werde Ihnen vielleicht Dinge zeigen, die Sie gar nicht sehen“, hat Mayenberger der Kostümführung vorangestellt. Die große Mauer, die einst den Stift abschirmte, ist bis auf ein kleines Überbleibsel längst verschwunden. Die Zeitreise aber führe die Besucher zurück ins Jahr 1802. „Sie müssen auch ein bisschen Fantasie haben. Keine Führung war bisher wie die andere. Lassen Sie sich einfach darauf ein“, lädt die Stadtführerin lachend ein. Und: „Wundern Sie sich nicht, wenn ich nachher nicht so freundlich bin.“
Standesbewusstsein gehört dazu
Denn zu ihrer Rolle der Maximiliana gehören Standesbewusstsein und Strenge genauso wie das blaue Kleid mit der hochgesetzten Taille, eine Spezialanfertigung von Rita Auer. Schließlich war Maximiliana eine der mächtigsten Frauen Oberschwabens. Die Herrschaft des Stifts, zu dem ein Heer von Bediensteten gehörte, reichte weit; unter anderem Betzenweiler, Dürnau, Kanzach, Moosburg und Kappel befanden sich in seinem Besitz. Zwölf Maierhöfe finanzierten zu Maximilianas Zeit zudem den gehobenen Lebensstandard der acht Stiftsdamen, die hier eine standesgemäße Erziehung erhielten. Doch nicht jede höhere Tochter werde hier aufgenommen, Bedingung sei eine „Ahnenprobe“, erklärt die Fürstäbtissin ihren unangemeldeten Besuchern. Mindestens acht Generationen sollten sie vorweisen können. „Und erst nach einem Jahr entscheiden wir uns, ob wir sie aufnehmen“– wobei auch schon so manche Dame wegen nicht tugendhaften Verhaltens des Stifts verwiesen worden sei.
Denn über Anstand und Sitte wacht Maximiliana höchstpersönlich. Erste Station des Rundgangs ist die Stiftskirche, wo jede der Damen über einen eigenen Beichtstuhl verfügt. Die Fürstäbtissin wartet hier mit so mancher Insiderinformation auf. Dass Andreas Brugger, der Erschaffer der herrlichen Deckenfresken, nur allzu gern einen über den Durst getrunken habe, etwa. Und dass er seine Stiefel geschickt aufs Gerüst platziert habe, um sich unbemerkt in Buchaus Kneipen amüsieren zu können.
Überhaupt Buchau! Fürstäbtissin Maximiliana – im echten Leben Stadträtin – schüttelt missbilligend den Kopf. Ein erbärmliches Städtchen, immer knapp bei Kasse. Ganz anders als „meine braven Bauern in Kappel“.
Die bedeutendsten Neuerungen dieser Zeit gehen nicht etwa auf die Stadt, sondern auf die Fürstäbtissin zurück. Sie sei es gewesen, die dem Federsee „das Wasser abgegraben“habe, um „blühende Felder“zu gewinnen. Unter ihrer Regie wurden die Straßen nach Oggelshausen und Moosburg gebaut: „Man schwebt fast auf ihnen“, verkündet Maximiliana stolz – und fügt kichernd hinzu: „Die Buchauer ärgern sich. Und man hat nichts dagegen, wenn sie sich ärgern.“
Die Besucher nehmen aus der Führung amüsante Anekdoten, ein interessantes Kapitel Stadtgeschichte und viele lebendige Eindrücke mit.
Fürstäbtissin Maximiliana führt immer am letzten Samstag im Monat durch die Stiftsgebäude, das nächste Mal wieder am Samstag, 31. März. Treffpunkt ist um 15 Uhr am Portal der Schlossklinik. Die Führung dauert etwa eineinhalb Stunden. Teilnehmer bezahlen mit Gästekarte zwei Euro, ohne Gästekarte vier Euro.