Schwäbische Zeitung (Biberach)
Den Schmerz im Kreuz verstehen
Neu aufgelegte Patientenleitlinie nennt Behandlungsoptionen bei Rückenbeschwerden
BERLIN/MÜNCHEN (sz) - Rückenschmerzen sind längst eine Volkskrankheit. Vor allem der sogenannte nicht-spezifische Kreuzschmerz ist weit verbreitet. Er geht meist nicht auf eine ernsthafte Erkrankung zurück, sondern etwa auf Stress, zu wenig Bewegung, Verspannungen oder psychische Probleme. Das Wichtigste sei, in Bewegung zu bleiben, erklären die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) sowie der Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU). Bettruhe dagegen verstärke die Beschwerden in der Regel, warnen die Experten.
Wenn Kreuzschmerzen akut auftreten, erhoffen sich Patienten häufig Erklärung und Sicherheit durch ein Röntgenbild oder eine Magnetresonanztomographie (MRT). Bildgebende Diagnostik sei jedoch bei nicht-spezifischen Kreuzschmerzen zunächst überflüssig, meint BVOUPräsident Johannes Flechtenmacher. „Fehlen Hinweise auf gefährliche oder spezifische Ursachen für Kreuzschmerzen wie Frakturen, Infektionen oder einen Bandscheibenvorfall, bringen Röntgen- oder MRTAufnahmen zu Beginn keinen Nutzen. Ein Gespräch mit dem Patienten und eine sorgfältige körperliche Untersuchung sind viel wichtiger“, sagt Flechtenmacher, der in Karlsruhe als Orthopäde arbeitet.
Wissenschaftliche Erkenntnisse verständlich übersetzt
Um Betroffenen mehr Sicherheit zu geben, verweisen BVOU und DGOU anlässlich des Tages der Rückengesundheit am 15. März auf die Nationale Versorgungsleitlinie nicht-spezifischer Kreuzschmerz, die es auch als Version für Patienten gibt. Wissenschaftliche Empfehlungen für Ärzte sind hier in eine verständliche Sprache übersetzt.
So erklärt die Patientenleitlinie unter anderem, wann Schmerzmittel sinnvoll sind, welche Informationen der Arzt im Erstgespräch benötigt und welche Behandlungsansätze bei chronischen Schmerzen wirken. Auftraggeber der im Jahr 2017 neu aufgelegten Patientenleitlinie sind unter anderem die Bundesärztekammer und die Kassenärztliche Bundesvereinigung.
Den behandelnden Mediziner könne die Publikation zwar nicht ersetzen, meint Professor Bernd Kladny, DGOU-Generalsekretär und Chefarzt der Fachklinik Herzogenaurach. „Doch vielfach suchen Patienten nach vertrauenswürdigen Quellen im Internet. Mit der Patientenleitlinie erhalten sie Einblick in die ärztliche Vorgehensweise bei Rückenschmerzen.“Zu den wichtigsten Empfehlungen liegen Kurzinfos von je einer Seite vor.
Hinter nicht-spezifischen Rückenschmerzen steckt nur selten eine ernsthafte Erkrankung. In 60 bis 85 Prozent aller Fälle ist der Grund für die Schmerzen nicht eindeutig erkennbar. Oft verschwinden die Schmerzen innerhalb weniger Wochen von selbst. „Wichtig ist, auch bei Rückenschmerzen in Bewegung zu bleiben“, sagt Matthias Psczolla, Facharzt für Orthopädie, Physikalische und Rehabilitative Medizin, Manuelle Medizin und Spezielle Schmerztherapie. „Denn moderate Bewegung stärkt die Rückenmuskulatur, schmiert die Gelenke und massiert die Bandscheiben. Dies ist wichtig für einen gesunden Rücken. Muskeln, Wirbel, Bandscheiben, Gelenke und Bänder müssen perfekt zusammenspielen, damit sich der Rücken gut bewegen kann und funktioniert. Bettruhe dagegen ist schädlich, denn sie kann die Beschwerden verstärken.“
Moderate Bewegung besser als Massagen oder Akupunktur
Wie und wo sich der Patient bewegt, spielt eine untergeordnete Rolle. Jede Form der körperlichen Aktivität sei günstig. Von Massagen oder Akupunktur rät die Patientenleitlinie eher ab, da sie den Patienten in einer passiven Haltung belassen. Solche Therapien können allerdings ergänzend zu körperlicher Aktivität eingesetzt werden.
Nimmt der Patient aufgrund starker Beschwerden eine Schonhaltung ein und fühlt sich nicht in der Lage, sich zu bewegen, können Schmerzmittel zeitweise Abhilfe schaffen. Dadurch wird Mobilität wieder möglich. Betroffene sollten sich von einem Facharzt beraten lassen – auch um einschätzen zu können, ob etwa ein ernsthaftes Problem wie ein Bruch oder ein Bandscheibenvorfall hinter den Schmerzen steckt.
Wissenschaftlich fundierte Informationen, allgemeinverständlich übersetzt: Das bietet die Nationale Versorgungsleitlinie nicht-spezifischer Kreuzschmerz. Die 100seitige Publikation können sich Betroffene unter herunterladen.