Schwäbische Zeitung (Biberach)
Silber-Olympionike Ehrhoff hört auf
Nach dem Play-off-Aus seiner Kölner Haie beendet der Nationalverteidiger seine Silber-gekrönte Eishockeykarriere
KÖLN (dpa) - Eishockey-Star Christian Ehrhoff beendet einen Monat nach dem Gewinn von Olympia-Silber im südkoreanischen Pyeongchang überraschend seine glanzvolle Karriere. Das gab der 35-Jährige am Sonntag nach dem Viertelfinal-Aus in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) mit den Kölner Haien bekannt. Der frühere NHL-Verteidiger wird damit auch nicht mehr bei der Weltmeisterschaft in Dänemark vom 4. bis 20. Mai unter Bundestrainer Marco Sturm antreten.
KÖLN/KREFELD (SID/dpa/sz) - Er war der teuerste Eishockeyverteidiger der Welt, stand in Kanada im Finale um den legendären Stanley Cup – doch unsterblich gemacht hat sich Christian Ehrhoff in Fernost: Genau einen Monat nach der Silber-Sensation von Pyeongchang beendet der Olympiazweite seine Karriere. „Ich habe gemerkt, dass ich durch bin“, sagte der 35-Jährige. „Wenn du so oft darüber nachdenkst, hast du schon die Antwort.“Bereits vor den Winterspielen in Südkorea und dem historischen Finaleinzug hatte Ehrhoff für sich diese Entscheidung nach 19 Profijahren gefällt. Öffentlich machte er sie am Sonntagabend nach dem Play-off-Aus mit den Kölner Haien in der Deutschen Eishockey Liga (DEL). „Vom Körperlichen her hätte ich noch einige Jahre spielen können“, sagte der langjährige NHL-Verteidiger, „aber vom Kopf her war ich fertig.“
Auf seine Karriere mit 13 Jahren in der National Hockey League, vier Olympiateilnahmen und sechs Weltmeisterschaften blickt Christian Ehrhoff mit großem Stolz zurück. „Für einen Jungen aus Moers ist das unglaublich, das hätte mir niemand zugetraut.“862 Spiele hat er in der besten Liga der Welt bestritten, 2011 mit den Vancouver Canucks das Finale um den Stanley Cup erreicht, danach als damals bestbezahlter Eishockeyverteidiger der Welt einen 40-MillionenVertrag unterschrieben. 2016 kehrte er in die DEL zurück, in der er 2003 als 20-Jähriger mit den Krefeld Pinguinen sensationell Deutscher Meister geworden war. Ein Ziel, das er in Köln offenbar in weite Ferne gerückt sah – auch für die nächste Saison, für die er eigentlich noch unter Vertrag stand.
Auf welchem Niveau er noch immer spielen kann, bewies der Kölner Kapitän in Pyeongchang. Christian Ehrhoff dominierte auf dem Eis wie zu besten NHL-Zeiten und war einer der Garanten des größten Erfolgs in der deutschen Eishockeygeschichte. „Ich bin froh, dass ich mit sehr guten Leistungen aufhören konnte“, sagte er, „dass es mit Olympiasilber endet, ist unbeschreiblich.“Wenige Stunden nach der 3:4-Finalniederlage nach Verlängerung gegen Rekordweltmeister Russland hatte Ehrhoff die deutsche Fahne bei der Schlussfeier getragen. „Das waren unglaubliche Momente, die werde ich den Rest meines Lebens nicht vergessen.“
Bundestrainer Marco Sturm wusste von Ehrhoffs Rücktritt schon seit „ein paar Tagen“; er muss bei der Weltmeisterschaft in Dänemark (4. bis 20. Mai) bereits ohne den 118-maligen Nationalspieler auskommen. „Für uns ist es traurig“, sagte er am Montag. „Wie er bei der WM in Köln oder bei Olympia die Mannschaft zusammengehalten hat, sie geführt hat, war vorbildlich.“
Die Nationalmannschaft verliere einen „Vollblut-Eishockeyspieler“, sagte Verbandspräsident Franz Reindl. „Mit seiner Leistung auf dem Eis, aber auch seiner Persönlichkeit ist er ein Aushängeschild des deutschen Eishockeys.“Reindl fügte an, er habe „zu 100 Prozent Verständnis für Christian. Nach so einer Karriere so ein Highlight zu erleben, da ist es nachvollziehbar, in seinem Alter einen Schlussstrich zu ziehen. Man kann da nur dankend zurückblicken.“
Franz Reindl würde gerne auch künftig mit Ehrhoff zusammenarbeiten. „Ich hoffe, dass er uns mit Rat und Tat zur Seite steht“, sagte er, „unsere Tür steht immer offen. Es ist ganz, ganz wichtig, dass wir Leute wie ihn im Eishockey behalten, damit sie ihre Erfahrungen weitergeben.“Sturm, der einst in San José mit dem vier Jahre jüngeren Ehrhoff in einem Team gespielt hat, bekräftigte: „Wir wären dumm, wenn wir es nicht machen würden. Er ist der Typ, der eine Mannschaft führen kann.“
Eine Zukunft als Trainer kann sich Christian Ehrhoff „im Moment eher nicht“vorstellen, „aber vielleicht ergibt sich im Eishockey irgendeine Gelegenheit“. Zunächst allerdings will er „den Kopf frei kriegen“, Zeit haben für seine Frau Farina und die Töchter Leni, Milla und Olivia. Und endlich, nach dem Rummel der letzten vier Wochen, die olympischen Eindrücke „richtig begreifen“.
„Das hinterlässt natürlich eine riesige Lücke. Aber es eröffnet auch Chancen für andere Spieler.“DEB-Präsident Franz Reindl über die Folgen des Ehrhoff-Rücktritts für die Eishockey-Nationalmannschaft
„Er gehörte zu den besten Spielern, die das deutsche Eishockey hervorgebracht hat.“Bundestrainer Marco Sturm über Christian Ehrhoff
Am Tag nach Christian Ehrhoffs Rücktritt ließ auch Nationalmannschaftskapitän Marcel Goc seine Zukunft offen. „Ich habe mir dazu noch keine Gedanken gemacht. Aktuell stehen die Play-offs mit Mannheim im Vordergrund“, sagte der 34-Jährige am Montag. Noch in Südkorea hatten Ehrhoff und Goc erklärt, weiter im Nationalteam spielen zu wollen. Ehrhoff hatte gar eine fünfte Olympia-Teilnahme 2022 nicht ausgeschlossen. Franz Reindl sagte zu eventuellen weiteren Rücktritten: „Mir ist nichts bekannt, aber ich will das nicht ausschließen. Der ein oder andere wird sich das schon überlegen.“