Schwäbische Zeitung (Biberach)
Olympischer Schwung – doch weniger Masse
Kombinierer wollen nach Kircheisen-Abschied stärker in den Nachwuchs investieren
SCHONACH - Phonzahl und Herzlichkeit waren Marke Schonach, Björn Kircheisens Abschied nach 17 Jahren Leistungssport hatte Klasse. 22. ist der dienstälteste deutsche Nordische Kombinierer im letzten, dem 281. Weltcup-Wettbewerb seiner Karriere geworden, und jetzt feierten ihn seine Verlobte Saskia, Kollegen, Gegner und Publikum, wie man einen feiern muss, der vier Olympia- und zwölf WM-Medaillen gewonnen, außerdem 17 Weltcup-Siege solo und fünf im Team erreicht hat. Bundestrainer Hermann Weinbuch hielt sich nach inniger Umarmung im Hintergrund – und mit der Frage auf, was Björn Kircheisens Abschied denn nun bedeute für Deutschlands Weltcup-Mannschaft. Seine Antwort, Teil eins: „Wir sind halt kleiner jetzt, die Gruppe.“
Teil zwei, erklärend, klang weniger lakonisch: „Vorher waren wir mit mehr Leuten unterwegs, haben wir mehr Masse gehabt in der Spitze. Das wird jetzt immer weniger.“Hermann Weinbuch ist lange genug dabei – gut zwei Jahrzehnte – und keiner, den Erfolge blenden. Der Winter ist außergewöhnlich gewesen mit drei Olympiasiegen in Pyeongchang, mit je einmal Silber und Bronze. Das weiß der 58-jährige. Er weiß auch, dass die Trainingssteuerung, die Balance von Beund Entlastung, der Formaufbau optimal gepasst haben. „Es lief im Vorfeld nicht so rund, aber wir konnten dann richtig Schwung aufnehmen für Olympia. Und da haben die Jungs Großartiges geleistet.“Fünf der acht Weltcup-Siege 2017/18 sind nacholympische Folgen dieses olympischen Schwungs. Eine Bilanz speziell der jüngsten fünf Wochen zum ...
... nicht darauf ausruhen. Hermann Weinbuch kennt die Fakten: Björn Kircheisen weg, in der Saisonhierarchie hinter den Südkorea-Fahrern Fabian Rießle (Dritter), Johannes Rydzek (Vierter), Eric Frenzel (Achter) und Vinzenz Geiger (Zwölfter) allein Manuel Faißt als 15. halbwegs oben positioniert. Und: „Es sieht auch nicht so aus, dass in den nächsten ein, zwei Jahren jetzt entscheidend so ein Supertalent daherkommt.“Konsequenz müssten Anstrengungen in B- und CMannschaft sein – „dass wir da was investieren“. Konkret heißt das? Mehr Geld für mehr Lehrgänge, „junges Personal“auch. „Da müssen wir frischen Wind reinbringen.“Der Name „Kircheisen“fällt; ein „eventuell“entlockt er Hermann Weinbuch. Samt Lächeln.
Auch Luis Lehnert kommt ins Spiel. Der ist 17, kombiniert für den WSV Oberaudorf, war bei seinem Weltcup-Debüt Mitte Dezember in Ramsau Fünfter, anderntags Zweiter von der Schanze. Wurde am Ende 42. und 40. Nicht „so ein Supertalent“, sehr wohl jedoch fest in Hermann Weinbuchs Blick: „Der hat von der Sprunganlage her so viel Potenzial, aber er muss noch viel trainieren, dass er im Laufen noch was herbringt.“
In reichlich Entfernung winkt Schonach dem Scheidenden. Neunter war Björn Kircheisen in seiner Abschiedssaison übrigens. In der reinen Weltcup-Laufwertung ...
Höhepunkt des Winters 2017/18 war für die deutschen Nordischen Kombinierer Olympia mit der ersten Team-Medaille seit 30 Jahren, dem Dreifachsieg von der Großschanze (Gold Rydzek, Silber Rießle, Bronze Frenzel) und Eric Frenzels Normalschanzen-Gold. Im Weltcup gab es acht Einzelsiege, sieben zweite und sieben dritte Ränge; sie verteilten sich so: Rießle 4-2-5, Rydzek 2-2-1, Frenzel 2-1-0, Geiger 0-2-0, Faißt 0-0-1. Im Nationencup wurde Deutschland mit 4903 Punkten Zweiter hinter Norwegen (5033).