Schwäbische Zeitung (Biberach)
Radikal anders mit dem ewigen Mahner
Matthias Sammer soll Borussia Dortmund helfen, sich neu zu erfinden
DORTMUND - Die Notwendigkeit eines recht radikalen Umbruchs hatten die Verantwortlichen von Borussia Dortmund schon vorher gesehen. Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke hatte jedenfalls schon vor dem desaströsen 0:6 (0:5) am Karsamstag bei Bayern München offenbart, Matthias Sammer als externen Berater zurückholen zu wollen. „Jetzt wird durchgelüftet“, hatte Watzke der „Funke Mediengruppe“gesagt. Sammer, Ex-Profi und ExTrainer beim BVB und VfB, ExSportvorstand beim DFB und FC Bayern und immer und überall passionierter Mahner, soll als Fensteröffner fungieren und Watzke und Sportchef Michael Zorc auch bei der Suche nach Spielern für die Grundsanierung des Kaders helfen.
„Wir haben beschlossen, uns neu auszurichten. Seine ungeschminkte Analyse wird uns guttun“, sagte Zorc. Tatsächlich droht der BVB, in der letzten Saison unter dem Taktiktüftler Thomas Tuchel dank begeisternder Spiele eines begeisterungsfähigen Kaders eines der spannendsten Projekte im europäischen Fußball, mittlerweile sogar die Stellung als deutsche Nummer 2 zu verlieren. Der Kader wirkt nach den – teils erstreikten – Verkäufen von Ousmane Dembélé, Pierre-Emerick Aubameyang und Co. und eher unglücklichen Neuerwerbungen, zu denen auch der Ravensburger Ömer Toprak gehört, mittlerweile recht matt. Zudem ist er, auch als Spätfolge des Sprengstoffanschlags, verunsichert.
Neben Sammer, der nicht operativ tätig sein möchte und auch seinen Expertenjob bei Eurosport behalten möchte, dürfte auch der Rat des früheren BVB-Kapitäns Sebastian Kehl in Zukunft gefragt sein. Kehl soll Leiter der Lizenzspielermannschaft werden und somit Zorc zuarbeiten.
Wenn aus lässig wurschtig wird
Spätestens nach dem Auftritt in München, den auch der an der Blamage nicht gerade unbeteiligte BVBKapitän Marcel Schmelzer als „Frechheit“definierte, dürfte klar sein, dass bei den künftig zweiwöchigen Treffen von Watzke, Zorc, Kehl und Sammer auch die Trainersuche auf der Tagesordnung stehen wird.
Peter Stöger, der dieses Amt ja derzeit innehat, trat am Samstag den Beweis an, dass sein ihn ansonsten unglaublich lässig wirken lassender Schmäh, nach einem 0:6 auch als sich selbst aufgebende Wurschtigkeit interpretiert werden kann. „Naja“, bemerkte der Wiener am Samstag nach Spielschluss mit einem leicht gequälten Grinsen auf die Frage nach seiner Position beim BVB, „gestärkt wird es sie nicht haben.“Und ergänzte: „Mein Leben definiert sich nicht darüber, dass ich beim BVB an der Seitenlinie stehe.“
Womöglich hat Stöger, in der Mannschaft auch wegen seiner in Fragen der Trainingssteuerung und -Intensität eher lockeren Art recht beliebt, gemerkt, dass es womöglich länger brauchen wird, um Mannschaft und Club wieder in die Spur zu bringen. Länger jedenfalls als der Absturz gebraucht hat (der aber freilich auch superrasant war). „Man muss schauen, welche Art Fußball will man spielen, wofür will der Verein stehen. Dann muss man schauen, welche Spieler man für diese Spielidee braucht“, analysierte Stöger, der Fußball ganz allgemein etwas defensiver denkt als sie es in Dortmund von seinen unmittelbaren Vorgängern gewohnt sind.
„Für die längerfristige Entwicklung ist es vielleicht gar nicht einmal so negativ, weil man noch mal ein bisschen genauer hinschaut, wo man ansetzen kann“, sagte Stöger außerdem, ehe er, mindestens ebenso lässig wie zutreffend, schloss: „Man muss schauen, welche Rädchen man drehen muss. Das sind meiner Meinung nach nicht nur Rädchen, sondern ein paar Räder.“