Schwäbische Zeitung (Biberach)
Wasser verrät viel über die Biberacher
Damit Bürger sauberes Trinkwasser haben, wird es im „Lindele“aufbereitet.
BIBERACH - Kaffeekochen, Zähneputzen und duschen: Allein schon morgens drehen die Menschen für die unterschiedlichsten Dinge den Wasserhahn auf. Damit aus den Armaturen sauberes Trinkwasser heraussprudelt, gibt es Wasserwerke wie das „Lindele“der Ewa Riss in Biberach. Die Mitarbeiter Johannes Rabatscher und Steffen Barwind zeigten Besuchern jetzt, was sich in dem Klinkergebäude so abspielt – und was der Wasserverbrauch über den Alltag der Biberacher verrät.
Die Ewa Riss versorgt mehr als 33 500 Menschen mit frischem Wasser. Ein Teil davon stammt aus einer Grundwasserquelle im Wolfental. Das Wasser wird über Leitungen zur Aufbereitung in das Werk „Lindele“transportiert. „Etwa sieben Eimer Wasser werden pro Sekunde hier hochgepumpt“, erläutert Johannes Rabatscher. Neben dem „Lindele“gibt es das Wasserwerk „Jordanberg“. Dort wird Wasser aus den Grundwasservorräten Appendorf gefördert.
Naturbelassenes Trinkwasser
Das Trinkwasser kommt also aus der unmittelbaren Umgebung, was keine Selbstverständlichkeit ist. „Wir haben hier das Glück, dass wir 1100 Liter pro Quadratmeter Niederschlag im Jahr haben. Deshalb gibt es ausreichend Grundwasservorräte. Im Süden von Europa sieht das schon ganz anders aus“, erläutert Steffen Barwind. Er und seine Kollege betonen bei der Führung mehrmals, wie schützenswert dieses Gut ist, da ohne Wasser kein Leben möglich ist.
Das Wasserwerk „Lindele“gibt es seit 1996. Es erfüllt mehrere Zwecke. So wird dort unter anderem das Wasser in großen, unterirdischen Kammern zwischengelagert. „Die Kammern bestehen ausschließlich aus
Beton“, erläutert Johannes Rabatscher. Und das aus gutem Grund: „Einen natürlicheren Baustoff gibt es nicht.“Wären die Kammern beispielsweise mit Fliesen verkleidet, würde das Wasser mit Bauchemie wie Fugenkleber in Verbindung kommen. „Wir wollen ein so naturbelassenes Trinkwasser wie möglich“, so der Ingenieur.
Trotzdem muss das kalte Nass – im Schnitt hat es eine Temperatur zwischen neun und elf Grad – aufbereitet werden. Heißt: In riesigen Behältern wird das Wasser von möglichen Keimen befreit. Das funktioniert mit Ozon, einem für Menschen giftigen Gas. „Es bleibt nichts davon im Trinkwasser, Ozon verfliegt sehr schnell“, beruhigt Johannes Rabatscher. Auch durch einen Filter aus Aktivkohle und Sand läuft das Wasser. Über Rohrsysteme wird es schlussendlich zu den Kunden transportiert.
Doch wie gut ist das Biberacher Trinkwasser? Johannes Rabatscher bezeichnet die Qualität als „sehr gut“. Bei den teils kontrovers diskutierten Nitratwerten liege man zum Beispiel deutlich unter dem Grenzwert. Die Wasserqualität aus Appendorf ist sogar so gut, dass es ohne Aufbereitung an die Kunden geht. „Dort gewinnen wir das Wasser so tief, dass es genügend durch die Sand- und Kalkschichten gereinigt wurde“, so Rabatscher. Die Quelle im Wolfental sei oberflächennah, weshalb die Aufbereitung im „Lindele“notwendig ist.
Verhältnismäßig viel Kalk
In diesem Zusammenhang verweist er auf den natürlichen Geschmack: „In den USA oder Ägypten beispielsweise schmeckt das Wasser anders, weil es sehr stark mit Chlor versetzt wird.“Qualitätsunterschiede zwischen Wasser aus dem Wolfental und Appendorf gebe es nicht: „Die Parameter sind sehr ähnlich.“Das gilt im Übrigen auch für den Härtegrad. Das Biberacher Trinkwasser enthält verhältnismäßig viel Kalk. Wie Johannes Rabatscher erläutert, könne das Trinkwasser natürlich immer noch mehr aufbereitet werden, was sich dann aber auch auf den Preis auswirke. Der Verbrauchspreis liegt bei rund zwei Euro je Kubikmeter. Wer Leitungswasser trinkt, für den hat Rabatscher folgenden Tipp: Wasserhahn aufdrehen, zehn bis 15 Sekunden sprudeln lassen und dann erst das Glas befüllen: „Dann ist das Wasser wirklich sauber, möglicher Schmutz wurde aus der Armatur herausgespült.“
Zahlen gewähren tiefen Einblick
Durchschnittlich verbrauchen die Biberacher zwischen 115 und 120 Liter pro Tag, was ungefähr der Füllmenge einer Badewanne entspricht. Drei Millionen Kubikmeter Wasser werden pro Jahr von den Wasserwerken Lindele und Jordanberg zu den Kunden transportiert. Ein Drittel davon nimmt der Industrie ab, so Rabatscher. Er kann mittels der Daten, die alle in der Leitwarte zusammenlaufen, aber noch weit mehr Rückschlüsse ziehen: „Wir sehen, wie die Biberacher ticken.“
So steigt der Wasserverbrauch zwischen fünf und sieben Uhr morgens rapide an – viele machten sich in dieser Zeit zur Arbeit fertig, erläutert der Ingenieur. Gegen 12 Uhr gebe es die nächste Spitze, weil das Mittagessen zubereitet werde. Gegen Abend ein weiterer Anstieg: Die Biberacher kommen von der Arbeit nach Hause, gehen auf die Toilette, schalten die Waschmaschine an oder bereiten das Abendbrot zu. Zwischen zehn und elf Uhr, so Rabatscher, sei dann Zeit fürs Bett, der Wasserverbrauch erreicht aufgrund von Zähneputzen und Toilettengang den letzten Höhepunkt des Tages. Doch immer gleich ist diese Kurve nicht. Als 2014 Deutschland gegen Argentinien im WM-Finale stand, wurde während der 90 Minuten plus Nachspielzeit fast kein Wasser verbraucht – mit einer Ausnahme. Während der Halbzeitpause schoss die Kurve in die Höhe.
„Es bleibt nichts davon im Trinkwasser, Ozon verfliegt sehr schnell.“Johannes Rabatscher über die Aufbereitung des Trinkwassers
Ein Video, ein 360-GradFoto sowie weitere interessante Zahlen zum Wasserverbrauch in Deutschland finden Sie im Internet unter www.schwäbische.de/wasser-bc