Schwäbische Zeitung (Biberach)
Debatte um Aufmarsch kroatischer Faschisten in Kärnten
Am Rand einer kirchlichen Gedenkmesse für Kriegsopfer in Österreich durften jahrelang kroatische Faschisten und Rechtsextremisten aus ganz Europa ihr Unwesen treiben. Jetzt soll damit Schluss sein, doch die Regierung in Wien zögert.
Wenn es um Themen wie Migration und Türkei geht, finden Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und sein Vize Heinz-Christian Strache (FPÖ) stets markige Worte. Wahlveranstaltungen türkischer Politiker seien in Österreich unerwünscht, erklärte die rechtskonservative Regierung. Doch aus dem Ausland gesteuerte Faschistenfeste mit Tausenden Neonazis und Rechtsextremisten aus ganz Europa bleiben in Österreich von Behörden unbehelligt. Beispielweise das alljährlich Mitte Mai stattfindende Gedenktreffen kroatischer Faschisten in Bleiburg an der slowenischen Grenze.
Zum Kriegsende 1945 hatten Zehntausende Soldaten des mit HitlerDeutschland und Mussolinis Italien verbündeten faschistischen Kroatenstaates NDH auf dem Loibacher Feld nahe Bleiburg vor Titos jugoslawischen Partisanen Zuflucht gesucht und die britischen Besatzer gebeten, sie als Kriegsgefangene zu beschützen. Doch die Briten zwangen die Nazi-Kollaborateure, den Rückweg nach Jugoslawien anzutreten, und trieben sie in die Arme der Partisanen. Bei Massakern, Hinrichtungen und „Todesmärschen“– im heutigen Kroatien als „Kreuzweg“religiös verbrämt – sollen nach Schätzungen bis zu 50 000 Menschen getötet worden sein.
Nach dem Zerfall Jugoslawiens 1991 ist Bleiburg zu einer Pilgerstätte des kroatischen Geschichtsrevisionismus geworden. Republikgründer Franjo Tudjman hatte maßgeblichen Anteil daran, als er die Kriegsverbrechen des Ustascha-Staates verleugnete – vor allem die Massentötung von 80 000 Menschen im Konzentrationslager Jasenovac an der nordbosnischen Grenze – und dessen Politiker und Soldaten als Patrioten verherrlichte, die sich dem Vaterland geopfert hätten.
Behördlich genehmigt ist das Treffen in Bleiburg als kirchliche Messfeier, die von der kroatischen Kirche und dem Verein „Bleiburger Ehrenzug“organisiert und auf einem Privatgrundstück zelebriert wird. „Das Problem ist nicht das Gedenken selbst, sondern dessen Missbrauch“, sagt der konservative Europa-Abgeordnete Otmar Karas. Bleiburg ist auch Aufmarschziel Tausender Ustascha-Anhänger in schwarzen Uniformen sowie Neonazis und Rechtsextremisten aus ganz Europa. Vor 20 Jahren waren es ein paar Hundert Teilnehmer, mittlerweile kommen Tausende auf das Loibacher Feld; 2015 waren es 35 000 Teilnehmer. Vom „größten Faschistentreffen Europas“spricht Rudolf Edlinger, Präsident des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes.
Losgetreten hat die Debatte der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser. Er fordert die Bundesregierung auf, das Verbotsgesetz gegen nationalsozialistische Wiederbetätigung anzuwenden und notfalls zu verschärfen. So sind Ustascha-Symbole in Österreich nicht verboten, wohl aber Nazilieder und Hakenkreuz-Embleme, die man in Bleiburg zuhauf sehen kann. Zuständig für eine Gesetzesverschärfung wäre Innenminister Herbert Kickl. Seine rechte FPÖ hat als Oppositionspartei aber stets die Aufhebung des NS-Verbotsgesetzes gefordert.