Schwäbische Zeitung (Biberach)
Aus Unwissenheit
Die Kinder haben sich nichts Böses gedacht, im Gegenteil. Sie haben mit den Sternsingern Geld gesammelt für indische Kinder, die unter unwürdigen Bedingungen zur Arbeit gezwungen werden.
Gegen Kinderarbeit vorgehen kann nichts Schlechtes sein. Einer besonders aufmerksamen Nachbarin ist allerdings aufgefallen, dass diesselben Kinder an Silvester wie verrückt geschossen haben, wobei die meisten Silvesterknaller aus Kinderarbeit in Indien stammen. Gewissermaßen haben die späteren Sternsinger damit die billige Produktion der Knaller durch ausbeuterische Kinderarbeit unterstützt. Alles hängt irgendwie zusammen. „Ich weiß, ihr habt aus Unwissenheit gehandelt, ebenso wie eure Anführer“, sagt Petrus auf dem Tempelplatz in Jerusalem nach der Auferstehung Jesu zu den Tatbeteiligten am Karfreitag. Es musste aber so kommen, dass der Messias durch Leiden und Tod gehen würde.
Es klingt arrogant, wenn jemand dem anderen Unwissenheit vorhält – kann aber dennoch stimmen. Unwissenheit ist nicht zu vermeiden, wer kann schon alles wissen? Nur: Zu beharren auf der falschen Linie, sich nicht eines Besseren zu besinnen, oder biblisch: sich nicht bekehren zu wollen, ist Hochmut. Wenn Kinder nicht viel wissen bei der Erstkommunion, ist dies nicht ihnen vorzuhalten, sondern eine Herausforderung für Eltern, Religionslehrerin und Gemeinde. Immer wieder passen Dinge nicht zusammen: Passt es zusammen, oder ist es glaubwürdig, wenn einige Ministranten durch lautstarkes Rätschen die Gläubigen zum Karfreitagsgottesdienst einladen, dann aber selbst nicht hingehen? Oder wenn ein Kirchenchor unmittelbar nach dem Karfreitagsgottesdienst, wenn Grabesruhe und Schweigen die Stimmung beherrschen sollten, die Osterlieder in der Kirche probt, weil man halt gerade beieinander ist?
Die innere Anteilnahme an dem Geschehen, das durch den Karfreitag vergegenwärtigt wird, gehört dazu. Unser Glaube an Jesus Christus darf nicht nur punktuell „hervorgeholt“werden, er muss kontinuierlich wachsen und reifen.