Schwäbische Zeitung (Biberach)
Meisterlich im Chaos
Der VfB Friedrichshafen gleicht Volleyball-Finalserie mit 3:2 in Berlin aus – Mittwoch Entscheidung am Bodensee
BERLIN - Das war ein Sieg ganz nach Vital Heynens Geschmack. „Mein Prinzip ist das Chaos, ich liebe es, weil ich in diesen Situationen, die nicht organisiert sind, perfekt funktioniere.“Doch nicht nur der Trainer des VfB Friedrichshafen hatte beim 3:2 (25:19, 33:31, 22:25, 19:25, 13:15) seiner Häfler bei den Berlin Volleys, das diese Herzschlag-Finalserie um die deutsche Volleyballmeisterschaft um ein fünftes – und endgültig letztes – Spiel verlängerte, die Nerven behalten.
Auch Heynens Spieler blieben, nachdem sie eine 2:0-Führung nicht halten konnten und den Satzausgleich hinnehmen mussten, im Tiebreak dann doch fokussiert. Somit kommt es zum ultimativen Showdown am Mittwoch in der ZF-Arena (20 Uhr/sportdeutschland.tv). „Solche Spiele sind einfach nur krass und machen Spaß. Wir wissen, dass das Publikum hier beeindruckend sein kann, aber am Ende entscheiden Kleinigkeiten. Jetzt heißt es am Mittwoch Gas geben und den Deckel drauf machen“, so VfB-Außenangreifer David Sossenheimer.
Und hatten die Häfler am Sonntag von Beginn an dort angenüpft, wo sie beim Heimsieg am Mittwoch aufgehört hatten. Da hatten sie, obwohl in der Serie mit dem Rücken zur Wand stehend, in den ersten zwei Sätzen ziemlich überrannt. Und nun: Mit etwas Glück und noch mehr Können sicherte sich das Team von Trainer Vital Heynen den psychologisch so wichtigen ersten Satz deutlich mit 25:19. Vor allem der Mittelblock mit Philipp Collin und Daniel Malescha funktionierte tadellos. Die Aufschlagserie von Andreas Takvam erledigte ihr Übriges, auch wenn der VfB insgesamt zu viele Fehler im Aufschlag machte.
Doch den ersten Satz hatte der VfB auch schon in den drei vorangegangenen Finalspielen gewonnen, und dann doch zweimal verloren. Diesmal wäre nach einer Niederlage aber Berlin um den ehemaligen Häfler Meistertrainer Stelian Moculescu unwiederbringlich Meister gewesen. Und das an Moculescus 68. Geburtstag.
Es kam anders. Weil der VfB sich auch den zweiten Satz, der sich zu einem wahren Krimi entwickelte, für sich entschied. Zunächst aber schienen die beeindruckenden HauDrauf-Qualitäten eines Malescha, Takvam oder Athanasios Protopsaltis nicht genug zu sein. Beim Stand von 16:10 aus Berliner Sicht konnte sich Moculescu schon ein wenig freuen. Doch nicht mit den Mannen vom VfB, die sich herankämpften, einen Satzball abwehrten und das SatzDrama zum Leidwesen des Geburtstagskindes mit 33:31 gewannen.
„Wir drehen die Erlebnisse des letzten Jahres einfach um“
Dass der Hallensprecher anschließend verkündete: „Noch drei Sätze bis zur Meisterschaft“, stachelte die Berliner dagegen an. 25:22 aus deren Sicht, 1:2 nach Sätzen. Vital Heynen schien angesäuert, der Stift, den der Trainer durchgängig samt Taktiktafel spazieren trug, wechselte die Hand, fand den Weg an den Mund und diente auch sonst als Ventil der Nervosität. Sein Gegenüber, wie immer mit Gürteltasche um den Bauch, strich sich zwar ebenfalls mit der Hand über das Haar, konnte beim 25:19 im vierten Satz jedoch seinen Ruhepuls im Normbereich halten.
Tiebreak also. Und die Mannen vom Bodensee spürten, dass es nun um den Lohn einer ganzen Saison ging, Anspannung und somit Fehler waren die Folge. Doch das Spiel auf höchstem Niveau blieb ausgeglichen, da auch die Berliner Abgeklärtheit vermissen ließen. Eine glückliche Schiedsrichterentscheidung, ein wichtiger Block und Tonnen Selbstvertrauen später, stand es 11:8 für die Häfler, ein Vorsprung, den sie sich nicht mehr nehmen ließen. „Wir wissen, dass wir es können. Zudem stecken die Erlebnisse des vergangenen Jahres noch im Kopf drin. Wir wissen, dass so etwas nicht mehr passieren darf“, so Sossenheimer. Und auch Heynen meint, „nun drehen wir die Erlebnisse des vergangenen Jahres einfach um“. Damals hatten die Berliner die Finalserie gedreht.