Schwäbische Zeitung (Biberach)
Berühmter Nationalökonom mit Biberacher Wurzeln
Professor Erich Preiser entwarf das Wirtschaftsmodell eines „Dritten Wegs“
BIBERACH - Wer zwischen 1956 und 1967 an der Universität München Wirtschaftswissenschaften studiert hat, dem wird bis heute Professor Dr. Erich Preiser in bester Erinnerung sein. Der Nationalökonom war nicht nur ein brillanter Wissenschaftler, sondern vor allem auch ein begnadeter Pädagoge, der seinen Studenten die komplizierten wirtschaftstheoretischen Zusammenhänge höchst verständlich erläutern konnte. Seine Vorlesungen waren grundsätzlich überfüllt. Sie mussten aus dem Auditorium Maximum per Lautsprecher auch noch in die Aula der Universität übertragen werden.
Was aber vermutlich kaum einer seiner Studenten wusste, auch die nicht, die selbst einen oberschwäbischem oder Allgäuer Hintergrund hatten: Erich Preiser wurde 1900 zwar im thüringischen Gera geboren, hatte seine familiären Wurzeln aber in Biberach und Leutkirch. Sein Fachkollege Detlef J. Blesgen macht darauf in einem umfangreichen Buch über das wirtschaftspolitische Wirken Preisers (erschienen im Heidelberger Springer Verlag) aufmerksam.
Großvater war Redakteur
Erich Preisers Mutter Frida war die Tochter des Druckereibesitzers Arnold Heberle in Biberach. Dieser hatte als Mitverleger und langjähriger Redakteur den „Anzeiger vom Oberland – Amts- und Intelligenzblatt für das Oberamt Biberach“, eines der Vorgängerblätter der „Schwäbischen Zeitung“, herausgegeben. In Biberach sammelte Erich Preiser auch seine ersten beruflichen Erfahrungen. Im Sommer 1919 absolvierte er ein mehrmonatiges Praktikum in der von seinem Urgroßvater gegründeten örtlichen Schlosserei.
Erich Preisers Vater Richard, später ein bekannter Altphilologe der Frankfurter Universität, war 1871 in Leutkirch im Allgäu zur Welt gekommen. Dort hatte dessen Vater als Bauingenieur an der württembergischen Allgäubahn mitgearbeitet.
Ludwig Erhard schätzte ihn
Als Nationalökonom zählte der 1967 verstorbene Erich Preiser zu den bedeutendsten deutschen Wirtschaftswissenschaftlern des 20. Jahrhunderts. Bereits während des Zweiten Weltkriegs hatte er zusammen mit Walter Eucken und anderen im sogenannten Freiburger Kreis die Grundsätze für eine Nachkriegsordnung erarbeitet, die dann von Ludwig Erhard, der Preiser besonders schätzte, als weltweit anerkanntes Erfolgsmodell in der jungen Bundesrepublik politisch umgesetzt wurde.
Nach dem Krieg war Preiser eines der wichtigsten Mitglieder zunächst im „Wissenschaftlichen Beirat bei der Verwaltung für Wirtschaft des Vereinigten Wirtschaftsgebietes“und dann – ab 1950 – im „Wissenschaftlichen Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium“. Seine größte wissenschaftliche Leistung war jedoch der Entwurf einer Wirtschaftsordnung, die – als ein „Dritter Weg“– marktwirtschaftlich, aber nicht kapitalistisch, sozial fair, aber nicht sozialistisch sein sollte.
Erich Preiser ging es in diesem Entwurf um eine gerechtere Einkommensund Vermögensverteilung, zugleich aber auch um das dazu erforderliche angemessene Wirtschaftswachstum. Weit über das ökonomische Fachpublikum hinaus bekannt wurde Erich Preiser mit seinen beiden populären Büchern „Nationalökonomie heute“und „Wirtschaftspolitik heute“.
Der Autor des Berichts, Rolf Dieterich, war bis zum Eintritt in den Ruhestand mehr als 35 Jahre Wirtschaftsredakteur und zuletzt Leiter des Wirtschaftsressorts der „Schwäbischen Zeitung“. Er hat selbst noch bei Erich Preiser studiert.