Schwäbische Zeitung (Biberach)
Naturschutzbehörde hat große Bedenken
Stellungnahmen zum IGI Rißtal und der Entscheidung aus Tübingen fallen gespalten aus
WARTHAUSEN/TÜBINGEN (sz) Das Regierungspräsidium (RP) hat grünes Licht gegeben für ein Bebauungsverfahren zum Industriegebiet im Rißtal (IGI) (SZ berichtete). Doch die Ausführungen der Behörde zeigen: Auch auf höchster Ebene bestehen Bedenken, vor allem bei den Naturschützern. Andere Verbände, vor allem vonseiten der Industrie, haben sich dagegen für das Industriegebiet ausgesprochen. Ein Überblick über die Stellungnahmen der wichtigsten Akteure. Die Gegner des Rißtal-Standorts
Die höhere Naturschutzbehörde ● beim RP äußert in ihrer Stellungnahme „erhebliche naturschutzfachliche Bedenken gegen die Entwicklung eines Industriegebiets“. Das Rißtal sei „als überregional bedeutender naturnaher Landschaftsraum“ausgewiesen. Die Riß und die kleineren Fließgewässer hätten eine „besondere Bedeutung“für den Biotopverbund an Fließgewässern. Zudem bestehe „eine hohe Bedeutung als Vogel- und Rastgebiet“. Trotz der landwirtschaftlichen Nutzung sei „das naturschutzfachliche Entwicklungspotenzial des Rißtals noch in hohem Maße vorhanden“. Bei der Prüfung der Standortalternativen sei damit das Rißtal zu schlecht bewertet worden, weil die Schutzgüter Pflanzen und Tiere nicht in die Beurteilung mit eingeflossen seien.
Auch die Naturschutzbehörde ● des Landratsamts Biberach hat „grundsätzliche Bedenken“geäußert wegen des „nicht unerheblichen Flächenverbrauchs“. Die Bedenken könnten zurückgestellt werden, sollte es keine echte Alternative geben. Zudem betont die Behörde, dass sie einen Standort nördlich von Oberessendorf favorisiere. Dort wären Artenund Biotopschutz, Landschaftsbild und Erholung geringer beeinträchtigt als im Rißtal bei Herrlishöfen.
Kritik kommt auch von der höheren ● Landwirtschaftsbehörde des RP, die zwar grundsätzlich begrüßt, dass andere Flächen geschont würden. Grundsätzlich aber befürchte sie, dass die Flächen weiter knapp werden.
Die deutlichste Kritik am IGI ● kommt vom Naturschutzbund (Nabu). Es drohe die Gefahr, „dass Fakten geschaffen und in den nächsten Jahren in großem Stil Erweiterungen in die Landschaft hinaus entwickelt würden“. Die Naturschützer sehen dagegen „dringenden Handlungsbedarf bezüglich einer Verbesserung des Biotopverbunds“. Außerdem kritisieren sie, dass der „großräumige Schutz des Trinkwasservorkommens“nicht gewährleistet sei. Hauptkritikpunkt aber ist, dass es sich „keinesfalls“um einen Härtefall handle. Der Bedarf der Das geplante Industriegebiet im Rißtal spaltet die Gemüter, wie ein Plakat der Bürgerinitiative gegen das IGI zeigt. Dies wird aber auch bei den Ausführungen des Regierungspräsidiums deutlich.
Firma Handtmann sei lediglich zehn bis 15 Hektar groß. Für das übrige Gebiet bestehe dagegen kein akute Notwendigkeit.
Ob die Naturschutzverbände juristisch gegen die Entscheidung des RP vorgehen, sei noch nicht entschieden. In der kommenden Woche wollen sich Vertreter der Bürgerinitiative „Schutzgemeinschaft“und die Verbände zusammensetzen, um das weitere Vorgehen zu beraten. Klagen kann in diesem Fall nur der Nabu-Landesverband. Die Befürworter des Standorts Neben den Gemeinden im Zweckverband ● haben sich auch die Interessenverbände
von Industrie, Gewerbe und Handwerk deutlich für das IGI ausgesprochen. Für eine sinnvolle Entwicklung seien auch in der Zukunft „große zusammenhängende Flächen“notwendig, um „den ansässigen Betrieben auch zukünftig Entwicklungschancen zu bieten“, betont die IHK Ulm. Der Standort sei sowohl aufgrund des Bahnanschlusses als auch der Nähe zu B 30 „sehr gut geeignet“. Ansonsten gäbe es keine alternativen Flächen.
Der Regionalverband DonauIller ● hat die Bedeutung für die Biotopvernetzung der wichtigsten naturnahen Landschaftsräume erhoben. Der Standort im Rißtal liege dabei nicht
innerhalb des höchsten Schwerpunktraums.
Die Wasserbehörden und das ● Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau erklären, die Bebauung sei möglich, wenn die Vorschriften zum Grundwasserschutz eingehalten und „unzulässige Nutzungen“im Wasserschongebiet bei der Bauleitplanung ausgeschlossen würden. Die Abwägung des RP
Der Entschluss des Regierungspräsidiums ● für den Standort sei auch nach Abwägung dieser und weiterer Positionen und Argumente gefallen, schreibt die Tübinger Behörde in ihrer Analyse zum Zielabweichungsverfahren. Für das IGI sprechen die gute Lage, die Option zur Bahnanbindung und die „wirtschaftliche Stabilität“in der Region Biberach, die gesichert werden müsse.
Das RP warnt aber auch vor einer „bandartigen Siedlungsentwicklung“im Rißtal entlang der Landestraße 267 und einer möglichen Beeinträchtigung des Gebiets aufgrund der Wasserversorgung der Mühlbachgruppe. Wichtig sei dabei, dass so wenig Flächen wie möglich versiegelt würden, und Grenzen der Entwicklung aufzuzeigen, um einer „bandartigen Ausdehnung“vorzubeugen.
Weitere Themen wie die Überflutungsgefahr bei Starkregen, die Verkehrsentwicklung oder die Naherholung seien „bislang nicht detailliert untersucht“worden und deshalb der „nachfolgenden Bauleitplanung vorbehalten“. Das RP zweifle aber nicht an der Relevanz der Themen. Ebenso betont es, dass mögliche Ausgleichsflächen geschaffen werden müssen. Der Standort sei „durchaus problembehaftet“, die Bebauung aber prinzipiell möglich und die Konflikte „voraussichtlich lösbar“.