Schwäbische Zeitung (Biberach)
Weniger Geld von Lebens- und Rentenversicherungen
Bundesgerichtshof wird wohl geringere Beteiligung an Rücklagen bestätigen und Transparenz einfordern
BERLIN - Rund 90 Millionen Verträge über eine Kapitallebensversicherung oder eine private Rentenversicherung haben die Deutschen abgeschlossen. Für die Inhaber dieser Policen spricht der Bundesgerichtshof (BGH) am heutigen Mittwoch ein wegweisendes Urteil, Fällt es zugunsten der Kläger vom Bund der Versicherten (BdV) aus, können viele Kunden auf eine höhere Ausschüttung hoffen.
Es geht um die Beteiligung der Versicherten an den so genannten Bewertungsreserven. Derlei Rücklagen entstehen, wenn der aktuelle Marktwert der Kapitalanlagen einer Assekuranz höher ist als der Buchwert. Das ist bei festverzinslichen Anlagen zum Beispiel der Fall, wenn das Zinsniveau sinkt und dadurch der Kurswert der Papiere steigt. An diesen Bewertungsreserven mussten die Kunden bis 2014 zur Hälfte beteiligt werden. Dann hat die Bundesregierung das Gesetz angesichts der anhaltenden Niedrigzinsphase geändert. Seither dürfen die Unternehmen die Beteiligung der Kunden kürzen, wenn dies nötig ist, um alle Garantiezusagen einzuhalten.
Im Fall vor dem BGH geht es um den Vertrag eines Kunden der Victoria Lebensversicherung, die zum Ergo-Konzern gehört. Ihm waren, kurz bevor die Gesetzesänderung in Kraft trat, 2821,35 Euro von der Victoria in Aussicht gestellt worden. Als der Vertrag sich kurz darauf änderte, standen in der Abrechnung nur noch 148,95 Euro als Beteiligung an den Bewertungsreserven. Diesen Fall nahm der BdV als Anlass zur Klage und scheiterte zunächst in den Vorinstanzen. Nun hat der BGH das letzte Wort.
Nach Einschätzung des Verbands zeichnete sich in der Verhandlung vor 14 Tagen ein Teilerfolg ab. Der BGH werde die Gesetzesänderung vermutlich als rechtmäßig einordnen, den Versicherungen aber zugleich eine Nachweispflicht auferlegen, sagt BdV-Chef Axel Kleinlein. Die Unternehmen müssten dann die Notwendigkeit von Kürzungen der Beteiligung an den Reserven belegen. „In einem Punkt verlieren wir, in einem anderen gewinnen wir“, glaubt Kleinlein.
Grundsätzlich wird der BGH die Gesetzesänderung wohl billigen, weil es das Gemeinwohl über die individuellen Interessen von Versicherten stellt. Wenn ein Unternehmen durch die anhaltende Niedrigzinsphase nicht genug erwirtschaften kann, um seine garantierten Leistungen zu erbringen, kann eine Kürzung der Beteiligung an der Reserve denkbare Schieflagen verhindern. Davon profitiert die Gemeinschaft aller Versicherten zu Lasten der Kunden, deren Vertrag gerade ausläuft. Verbraucherschützer kritisierten immer wieder, dass das Vorgehen der Unternehmen oft nicht nachvollziehbar sei. Dies könnte der BGH nun durch eine Nachweispflicht ändern.