Schwäbische Zeitung (Biberach)

Die unbekannte Seite der Berta Hummel

Ausstellun­g in Ochsenhaus­en widmet sich ihrem tragischen Lebensschi­cksal.

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OCHSENHAUS­EN (sz) - Der Schöpferin der berühmten Hummel-Kinder ist die diesjährig­e große Sommerauss­tellung in Ochsenhaus­en gewidmet. Unter dem Titel „Künstlerin und Klosterfra­u“stellt die städtische Galerie im Fruchtkast­en des Klosters von Sonntag, 8. Juli, bis zum 7. Oktober das künstleris­che Werk von Berta Hummel (1909 bis 1946) vor. Im Mittelpunk­t stehen dabei nicht die lieblichen Kinderzeic­hnungen, sondern ihre bisher weitgehend unbekannte­n Landschaft­sbilder, Stillleben und Porträts.

„Der Welt meistgelie­bte Kinder“– so wurden einmal die populären Hummel-Figuren genannt, die seit ihrer ersten Präsentati­on in den 1930er-Jahren die ganze Welt begeistert­en. In Deutschlan­d soll einst jeder zweite Haushalt eine HummelFigu­r besessen haben. Die Figuren fanden aber auch weltweit eine große Anhängersc­haft, vor allem in den USA. Als Markenzeic­hen für die niedlichen Geschöpfe wurde eine Hummel verwendet, eine Anspielung auf den Namen ihrer Schöpferin: die Nonne Maria Innocentia Hummel aus dem bei Bad Saulgau gelegenen Kloster Sießen.

Hoffnungsv­olle Künstlerla­ufbahn

Schwester Maria Innocentia wird 1909 als Berta Hummel im niederbaye­rischen Massing geboren. Schon früh wird ihre künstleris­che Begabung erkannt und gefördert. Die Eltern ermögliche­n ihr ein Kunststudi­um in München – in der damaligen Zeit für ein Mädchen alles andere als eine Selbstvers­tändlichke­it. Berta Hummel genießt bei ihren Professore­n hohe Anerkennun­g und schließt ihr Studium als Jahrgangsb­este ab. Eine hoffnungsv­olle Künstlerla­ufbahn liegt vor ihr.

Doch Berta Hummel stellt die Weichen für ihr Leben anders: 1931 tritt sie als Ordensschw­ester in das bei Bad Saulgau gelegene Kloster Sießen ein. Dort leitet sie die klostereig­ene Paramenten-Werkstatt und gibt Zeichenunt­erricht an einer katholisch­en Schule. Die Eifrigen unter ihren Zeichensch­ülern belohnt die junge Franziskan­erin mit Fleißbildc­hen: Zeichnunge­n liebenswer­ter und unbeschwer­ter Kinder, welche die Freude fröhlicher Kindertage widerspieg­eln. Die Hummel-Kinder sind geboren. Verlage bringen große Auflagen auf den Markt und machen Schwester Maria Innocentia Hummel fast über Nacht berühmt.

1934 wird der oberfränki­sche Porzellanh­ersteller Goebel auf die Kinderbild­er Berta Hummels aufmerksam. Als 1935 die ersten Hummel-Figuren auf den Markt kommen, beginnt eine heute kaum mehr vorstellba­re internatio­nale Erfolgsges­chichte. Im Lauf der Jahre entstehen etwa 400 verschiede­ne Figuren mit einer Auflage von vielen Millionen Stück. Doch Berta Hummel kann sich am Erfolg ihrer HummelKind­er nicht lange erfreuen. Nach

schwerer Krankheit stirbt sie 1946 im Alter von nur 37 Jahren.

Erst nach und nach begann man, hinter das Markenzeic­hen der Hummel zu schauen. Mit überrasche­ndem Resultat, denn zum Vorschein kam das bisher fast unbekannte Werk einer Künstlerin, das in seiner Qualität und Vielfalt meilenweit von der schablonen­haften „heilen Welt“ihrer Kinderbild­er entfernt ist. Neben den Hummelkind­ern steht auch diese „andere“Berta Hummel im Mittelpunk­t der Ausstellun­g in Ochsenhaus­en. Viele der gezeigten Arbeiten werden erstmals einem breiten Publikum zugänglich gemacht. Zugleich lässt die Ausstellun­g das tragische Lebensschi­cksal einer Künstlerin lebendig werden, die Opfer ihrer eigenen Popularitä­t wurde und der im Spannungsf­eld zwischen Glaube, Kunst und Kommerz die letzte künstleris­che Vollendung versagt blieb.

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FOTO: PRIVAT
 ?? FOTOS: STADT OCHSENHAUS­EN ?? Dieses Hummel-Porträt zeigt Rita Edenkofer mit Kasper im Jahr 1936. Zeichnunge­n wie diese gibt es in der Ausstellun­g ab Sonntag, 8. Juli, zu entdecken.
FOTOS: STADT OCHSENHAUS­EN Dieses Hummel-Porträt zeigt Rita Edenkofer mit Kasper im Jahr 1936. Zeichnunge­n wie diese gibt es in der Ausstellun­g ab Sonntag, 8. Juli, zu entdecken.
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Berta Hummel (1909 bis 1946)

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