Schwäbische Zeitung (Biberach)
AfD träumt vom Aufstieg zur Volkspartei
Erika Steinbach führt Stiftung – Rentenkonzept wird auf 2019 vertagt
AUGSBURG - Je später der Abend, desto lauter die Redner. Nach einem zähen Arbeitsparteitag der AfD in der Schwabenhalle der Messe Augsburg kocht die Stimmung hoch. Am fortgeschrittenen Samstag streiten Delegierte um die Anerkennung einer parteinahen Stiftung. Die einen sehen darin einen Schritt auf dem Weg zur „Systempartei“und eine Gefahr für ihre Glaubwürdigkeit. Denn auch andere Parteien erhalten Gelder aus der staatlichen Parteienfinanzierung, die AfD hatte dies früher harsch kritisiert. Die anderen sehen darin eine Chance, mit einem möglichen Millionenbetrag unter anderem Bildungsarbeit im Sinne der
AfD zu betreiben.
Mit der Debatte will die AfD, wie angekündigt, Liegengebliebenes abarbeiten. In diesem Punkt gelingt ihr das, Kritiker werden überstimmt. Die Desiderius-Erasmus-Stiftung unter der Ex-CDU-Frau Erika Steinbach, der früheren Chefin des Bundes der Vertriebenen, setzt sich durch. Der Griff in die „Fleischtöpfe“, so ein Delegierter, soll ab der kommenden Wahlperiode möglich sein. Das „politische Endziel“sei jedoch laut Antrag, das System der parteinahen Stiftungen abzuschaffen.
Mehrere Ideen für die Rente
Ein anderer Streit wird vertagt. In der Partei kursieren mehrere Rentenkonzepte. Co-Parteichef Jörg Meuthen fordert, die gesetzliche Rente abzuschaffen. Der Wirtschaftsliberale schlägt eine regelhafte private Altersvorsorge vor. Der Thüringer Parteichef Björn Höcke vom rechtsnationalen „Flügel“hingegen schlägt einen Rentenaufschlag vor – für deutsche Staatsbürger. Auch Beamte und Selbstständige sollen Beiträge an die gesetzliche Krankenkasse zahlen, das Rentenniveau soll steigen – klassische Forderungen der Linken. Eine Diskussion über die Ideen gibt es nicht, die Programmatik der AfD bleibt „unvollendet“– wie auch Meuthen sagt. Bei den Konzepten geht es um die Frage, ob die Partei bei der Rente einen liberalen oder einen nationalen und sozialen Weg einschlägt, es geht um mehr Staat oder weniger.
Darüber entschieden werden soll bei einem Sonderparteitag in Sachsen im kommenden Jahr. Ort und Zeit sind bewusst gewählt. In Ostdeutschland wählen 2019 drei Bundesländer einen neuen Landtag: Sachsen, Brandenburg und Thüringen. Höckes Konzept könnte Stimmen von SPDund Linken-Wählern einbringen. Der Thüringer sagt gar, die AfD habe Chancen, dabei „den ersten blauen Ministerpräsidenten der Geschichte“zu stellen. In Sachsen hatte sie bei der Bundestagswahl 2017 besser abgeschnitten als die CDU.
Bis 2019 ist noch etwas Zeit. Doch in diesem Jahr nahen die Landtagswahlen in Hessen und Bayern. Dort will die AfD nach der CSU zweitstärkste Kraft werden und verlässt sich dabei auf ihr Kernthema, die Migration. AfD-Chef Alexander Gauland vergleicht in seiner Eröffnungsrede Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem DDR-Machthaber Erich Honecker, sieht das Land in seinen letzten Tagen wie einst das kommunistische System im Jahre 1989.
Der kalkulierte Skandal ist ebenso Teil der AfD-Strategie wie der Satz „Merkel muss weg“. Gauland aktualisiert ihn. Gleich das gesamte System müsse weg. Dazu zählt er auch CDU/ CSU. Man würde es zwar begrüßen, dass Bundesinnenminister Horst Seehofer und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder Pläne für die Asylpolitik präsentieren. „Aber die CSU ist mitverantwortlich für alles, was Merkel unserem Land angetan hat“, sagt er und spricht vom „Kontrollverlust“. Gauland warnt vor einem „Bevölkerungsaustausch“– das ist Rhetorik des rechtsnationalen Flügels – und Meuthen macht später deutlich, wen er sich als Partner im Kampf dagegen wünscht: „Heinz-Christian Strache, Sebastian Kurz, Matteo Salvini und auch Viktor Orban“– bis auf Österreichs Kanzler Kurz allesamt europäische Politiker vom rechtspopulistischen Rand.
Kurz verbietet es sich jedoch später, von der AfD als Partner bezeichnet zu werden.