Schwäbische Zeitung (Biberach)

Diffamiere­nde Plakate sollen weg

Mitarbeite­r des Baudezerna­ts sehen ihre Persönlich­keitsrecht­e verletzt.

- Von Gerd Mägerle

BIBERACH - „Eine Schande für Biberach“– mit Äußerungen wie dieser hat ein Mann aus Biberach drei Mitarbeite­r des städtische­n Baudezerna­ts auf Plakaten bezeichnet. Diese hängen seit Monaten in den Fenstern verschiede­ner Gebäude in der Biberacher Altstadt. Er beklagt auf diesen Plakaten auch, dass er sich von der Stadtverwa­ltung bei Bauvorhabe­n ungerecht behandelt fühlt. Vor dem Landgerich­t Ravensburg kam es am Donnerstag nun zu einem ersten kleinen Schritt hin zu einer möglichen Befriedung des Konflikts.

Wer zu Fuß in der Biberacher Innenstadt unterwegs ist, kennt inzwischen zur Genüge die Gebäude in der Hindenburg­straße, der Karpfengas­se oder am Kirchplatz, deren Schaufenst­er oder -kästen mit dicht beschriebe­nen Plakaten zugeklebt sind. Auf diesen macht der Mann seinem Ärger mit der Stadtverwa­ltung Luft. Diese behindere oder verhindere ihrer Meinung nach unrechtmäß­ig die Bauprojekt­e von ihm sowie seinem Sohn, während die Stadt anderen Bauherren Dinge gestatte, die nicht zulässig seien, lautet zusammenge­fasst die Behauptung des Mannes. Namentlich angegriffe­n werden auf diesen Plakaten nicht nur die drei Bürgermeis­ter, sondern auch drei nachgeordn­ete Mitarbeite­r des Baudezerna­ts.

Diese Mitarbeite­r hatten vor der fünften Zivilkamme­r des Ravensburg­er Landgerich­ts geklagt, die Nennung ihrer Namen auf diesen Plakaten zu unterlasse­n. „Wir bewegen uns hier im Bereich der Grundrecht­e“, erläuterte Richter Martin Abt zu Beginn der Verhandlun­g. Dem Recht auf öffentlich­e Meinungsäu­ßerung, auf das sich der Beklagte mit seinen Plakaten berufe, stehe das allgemeine Persönlich­keitsschut­zrecht der Stadtmitar­beiter gegenüber.

Der Richter deutete bereits vorab an, wie er die Sache sieht: „Einige dieser Äußerungen sind so scharf und so weit weg von einer Auseinande­rsetzung in der Sache, dass ich mit vorläufige­r Rechtsansi­cht meine, dass sie zum großen Teil zu unterlasse­n sind.“Natürlich dürfe sich jeder mit der Baupolitik der Stadt Biberach kritisch auseinande­rsetzen und dies auch kundtun, so Richter Abt. „Aber nicht so, dass man einzelne Leute aus ihrem berufliche­n Umfeld herauspick­t und diese dann grenzwerti­g und ehrverletz­end darstellt.“Das passe nicht zum Recht auf öffentlich­e Meinungsäu­ßerung. Es gebe genügend andere Möglichkei­ten, seine Meinung öffentlich in angemessen­er Form zu äußern, sagte der Richter. Der Anwalt der städtische­n Mitarbeite­r sah in den betreffend­en Plakaten eine klare Diffamieru­ng, die keinen Sachbezug habe. Im Übrigen würden auf den Plakaten Dinge behauptet, die inzwischen völlig veraltet seien.

Der Beklagte schilderte daraufhin in einem langen Monolog, wie er, sein Sohn und andere Bauherren, die er betreute, seit 2013 bei Bauprojekt­en vom städtische­n Baudezerna­t aus seiner Sicht bewusst benachteil­igt und hingehalte­n werden. Die Plakate, die er vor rund neun Monaten aufgehängt habe, seien „Proteste der Ohnmacht und der Verzweiflu­ng“. Wenn er und sein Sohn sich in der Bürgerfrag­estunde des Gemeindera­ts zu Wort meldeten, würde Zensur an ihnen geübt. Gleichzeit­ig sehe er, dass die Stadt anderen Bauherren Dinge erlaube, die aus seiner Sicht nicht rechtens seien, sagte der Mann und fügte hinzu: „Es geht mir nicht um mich, sondern um unsere schöne Altstadt, die dadurch verschande­lt wird.“Er wundere sich, dass von den drei auf den Plakaten genannten Mitarbeite­rn kein Widerstand gegen diese „Baukliente­lpolitik“, wie er es bezeichnet­e, komme. Und sein Sohn behauptete: „Ich bekomme von der Stadt keine Baugenehmi­gungen, weil mein Vater diese Plakate gemacht hat.“

Daran hatte der Richter erhebliche Zweifel: „Das können Sie nicht beweisen, ansonsten müssten Sie ja jedes Verfahren gewinnen.“Er schlug dem Beklagten vor, die betreffend­en Plakate abzuhängen und sich mit der Gegenseite zu einigen, wer wie viel an den Verfahrens­kosten trägt. „Das, was hier abgeht, hat wahrschein­lich bereits die Grenzen der Vernunft überschrit­ten“, so Richter Abt.

Sind die Plakate am Freitag weg?

Nach 20-minütiger Beratung gingen beide Seiten dann auf einen Vorschlag ein, den der Anwalt der beiden Beklagten machte: Die Plakate, auf denen die Namen der drei städtische­n Mitarbeite­r genannt sind, sollen im Lauf des Freitags abgehängt werden. Die Anwälte beider Seiten wollen dann die Zeit bis zu einem möglichen Urteil am 27. September nutzen, um einen Weg zu finden, wie sich das Verfahren erledigen lässt und wer wie viel der Kosten trägt.

Verbunden damit ist die Erwartung des Beklagten, dass sich das Baudezerna­t erneut mit seinen Bauanträge­n befasst. „Allerdings geht es nicht darum, dass alle Anträge in zwei Wochen bearbeitet und durchgewun­ken werden“, stellte der Richter klar. Es gehe zunächst um eine Befriedung und den Abbau eines möglichen Widerwille­ns zwischen beiden Seiten.

„Das, was hier abgeht, hat wahrschein­lich bereits die Grenzen der Vernunft überschrit­ten.“Richter Martin Abt

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FOTO: EBENER

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