Schwäbische Zeitung (Biberach)
Die Wiener U-Bahn ist kein Speisewagen
U-Bahnen haben in der Regel keinen offiziellen Speisewagen. Dennoch sind unterirdische Fortbewegungsmittel permanent Schauplatz menschlichen Verzehrs: der eine trinkt gerne sein Bier, weil er weiß, dass drei Halbe auch eine Mahlzeit sind. Andere widmen sich dem komplizierten Verzehr eines Grillhähnchens. Und dann gibt es solche, die der Küche dem Bosporus zugeneigt sind und Döner mit allem und viel Scharf essen.
Es gibt aber auch Leute, die sich durch herzhaften Duft von Speisen in ihrem Reiseerlebnis beeinträchtigt fühlen. Das ist auch in Wien nicht anders. Daselbst soll nun auf der U-Bahn-Linie 6 mit ihren jährlich 130 Millionen Fahrgästen ab September testweise das Essen „geruchsintensiver Speisen“verboten werden. Die durchschnittliche Fahrt im Untergrund dauere zehn Minuten – es sei zumutbar, dass Menschen zehn Minuten lang keine Sachen essen, die vernehmlich riechen. Die Initiatoren dieses radikalen Ansinnens argumentieren, dass die Reinigung teurer ist, wenn Fahrgäste permanent Schnitzel-, Kaiserschmarrenoder Sachertortenreste auf die Sitze trielen. Nach dem Test soll entschieden werden, ob das Fressverbot auf den gesamten öffentlichen Nahverkehr ausgeweitet wird. Wir schlagen vor, die U-Bahn 6 für ein Jahr ohne Fahrgäste verkehren zu lassen und zu prüfen, welchen Einfluss das auf die Hygiene der Sitze hat. Sollte sich die Abwesenheit von Menschen positiv auswirken, empfehlen wir, das Konzept des fahrgastlosen Reisens auf den gesamten Wiener öffentlichen Nahverkehr auszuweiten. (nyf )
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