Schwäbische Zeitung (Biberach)
Der Meister will mitreden
Trotz personellem Umbruch im Sommer – Flensburg nach Derby-Sieg im Kreis der Titelfavoriten
FLENSBURG (SID) - 30 Sekunden vor der Schlusssirene streckte Alfred Gislason resigniert die Waffen. „Jungs, das war’s“, verkündete der Trainer von Rekordmeister THW Kiel seiner Mannschaft in der letzten Auszeit des Nordderbys bei der SG Flensburg-Handewitt. Obwohl der Rückstand nur zwei Tore betrug, fehlte dem Isländer der Glaube an einen Endspurt. Flensburg gewann letztlich 26:25 (15:13) – und sendete ein starkes Signal an die Konkurrenz in der Handball-Bundesliga.
Spätestens mit dem Sieg in einem packenden Duell mit dem Lokalrivalen hat der Meister eindrucksvoll klargemacht, dass er auch in diesem Jahr ein gewichtiges Wort bei der Titelvergabe mitzureden gedenkt. Ein Umstand, mit dem angesichts des personellen Aderlasses im Sommer nur wenige gerechnet hatten. Gleich sechs Spieler hatten die SG nach dem Überraschungscoup verlassen, unter ihnen etliche Leistungsträger. In einer Meister-Umfrage der „Handballwoche“tippte keiner der 18 Bundesliga-Trainer auf Flensburg. Doch nach vier Spielen ist die Bilanz des Titelverteidigers weiter makellos.
Schon der Auswärtssieg bei den ambitionierten Füchsen Berlin hatte so manchen überrascht. Dass man im 98. Nordderby, dem insgesamt 1000. Spiel der Flensburger Bundesliga-Geschichte, nun auch den hochgehandelten Erzrivalen Kiel entzauberte, lässt die SG endgültig in den Kreis der Topfavoriten aufsteigen.
„Das ist unglaublich. Es war ein richtig gutes Derby von uns“, befand Flensburgs Keeper Benjamin Buric in der ARD, wo am Samstagabend 1,38 Millionen Zuschauer eingeschaltet hatten. Der Bosnier ist einer der zahlreichen Neuzugänge und war einer der Matchwinner. Weil er nach einer ausgeglichenen Anfangsphase die gegnerischen Angreifer zur Verzweiflung trieb, drehte Flensburg nach einem 8:11-Rückstand mit einem 7:1-Lauf bis zur Pause die Partie. Den Rest erledigte der berühmte Hexenkessel der „Hölle Nord“.
„Die Fans haben uns in der zweiten Halbzeit, als die Beine schwer waren, getragen“, sagte SG-Coach Mike Machulla. „Wir haben dadurch Extra-Energie bekommen, als es gegen uns gelaufen ist“, ergänzte Kapitän Tobias Karlsson. In der hitzigen Atmosphäre der mit 6270 Zuschauern ausverkauften Arena machte dies letztlich den Unterschied. „Wenn man ein Spiel mit einem Tor verliert, kann man nicht alles falsch gemacht haben“, bilanzierte deshalb Kiels Nationalspieler und Rückkehrer Hendrik Pekeler: „Am Ende waren es Kleinigkeiten.“
Kiel, das seinem nach elf Jahren scheidenden Trainer Gislason in dessen letzter Saison gerne den Titel schenken würde, kassierte somit die erste Saisonpleite im dritten Spiel.