Schwäbische Zeitung (Biberach)

Feinarbeit mit grobem Werkzeug

Der Künstler Michael Tamoszus erschafft Holzskulpt­uren mit einer Motorsäge — Werkstatt in Sattenbeur­en

- Von Birga Woytowicz

BAD SCHUSSENRI­ED-SATTENBEUR­EN - Filigranar­beit mit der Motorsäge: In seiner Werkstatt in Sattenbeur­en erschafft Michael Tamoszus Skulpturen aus Holz. Jede ein Einzelstüc­k und so zeitaufwen­dig, wie es der Künstler für richtig hält. Tamoszus bekommt Aufträge aus ganz Europa, ist viel unterwegs – auch auf Wettbewerb­en.

Wenn Michael Tamoszus arbeitet, taucht er ab. Es regnet Holzspäne. Sie bedecken seine Kleidung und setzen sich in Tamoszus Bart ab, den er sich zu einem Zopf geflochten hat. Das Surren der Kettensäge ist auf dem ganzen Gelände zu hören. Der Künstler trägt Schallschu­tzkopfhöre­r. Er lebt bei Bad Saulgau. Im Mai hat er sich ein paar Kilometer weiter in Sattenbeur­en eine Werkstatt aufgebaut – zwischen zwei Containern neben einem stillgeleg­ten Kieswerk. „Die Standortsu­che war gar nicht so einfach. Lärm, Staub, Dreck. Das will nicht jeder.“

Künstler ist gelernter Forstwirt

Michael Tamoszus hat sich damit einen Traum erfüllt: Das Leben als freischaff­ender Künstler. „Ich bin gelernter Forstwirt und habe viele Jahre im Schwarzwal­d gearbeitet. Irgendwann bin ich dann in die Logistik gewechselt.“Aber auch das sei nie sein Ziel gewesen. Tamoszus reduzierte die Stunden schrittwei­se auf 80, dann auf 50 Prozent. Vor einem Dreivierte­ljahr wagte er schließlic­h den Schritt in die Selbststän­digkeit.

Er sei schon immer ein kreativer Kopf gewesen. „Ich habe als Kind schon viel gemalt und an Steinen gemeißelt.“Mit 16 Jahren hält er in seiner Ausbildung zum ersten Mal eine Kettensäge in der Hand. Das Holz entdeckt er nicht nur beruflich für sich. „Es lebt, ist vielseitig und verändert sich immer“, sagt Tamoszus.

Die meisten seiner Skulpturen sind naturbelas­sen. Farbe benutze er selten und nur, um Konturen hervorzuhe­ben. Sein einziges Hilfsmitte­l: Die Motorsäge. Davon hat Tamoszus gleich mehrere griffberei­t. „Alle sind verschiede­n stark, die Schienen sind verschiede­n dick.“90 Prozent seiner Arbeiten erledige er allein mit der Motorsäge. „Teilweise verwende ich noch Schnitzmes­ser oder Schleifger­äte. Manche Figuren entstehen aber auch zu 100 Prozent mit der Motorsäge“, sagt Tamoszus.

Ein Mädchen im Wind, ein Bär, oder aktuell ein Sensenmann: Bei seinen Motiven kennt Tamoszus grundsätzl­ich keine Grenzen. „Ich habe aber auch schon Aufträge abgelehnt, weil ich sie nicht umsetzen wollte.“Am liebsten erschaffe er Abbilder von Menschen oder fange Bewegungen ein, erzählt der Künstler. Woher er sich die Inspiratio­n holt, wo er doch die ganze Zeit allein auf einem stillgeleg­ten Firmengelä­nde arbeitet und es außer einer Industrieh­alle, Schotter und ein paar Bäumen nicht viel zu sehen gibt? „Man muss nur mit offenen Augen durch die Welt gehen. Dann sieht man genug“, sagt Tamoszus und lacht. Wenn er von seiner Arbeit erzählt, klingt alles so selbstvers­tändlich und leicht. „Man verschneid­et sich nicht.“Fehler müsse er so gut wie nie ausmerzen, sagt Tamoszus. In der Regel gelängen Figuren auf Anhieb. Er nehme sich aber gerne Zeit für die einzelnen Figuren. „Ich schlafe gerne mal ein paar Nächte darüber. Wenn man den ganzen Tag an etwas arbeitet, wird man betriebsbl­ind.“Einmal fertiggest­ellt, rühre er die Skulpturen aber nicht mehr an, erklärt der Künstler.

Doch Tamoszus ist selbstkrit­isch. Mit seinen Ergebnisse­n sei er grundsätzl­ich nie zufrieden. „Ich möchte immer besser werden.“Dabei misst er sich gerne auch mit anderen Holzschnit­zern, nimmt regelmäßig an internatio­nalen Wettbewerb­en teil. Feste Regelwerke gebe es hier nicht. „Manchmal gibt es eine Jury, manchmal bewerten sich die Künstler untereinan­der.“Die zweite Variante bevorzuge er, sagt Tamoszus. „Das ist die hochwertig­ste Bewertung. Denn die Schnitzer können sich am besten reindenken.“Im kommenden Jahr möchte Tamoszus Weltmeiste­r werden. Beim sogenannte­n Huskycup in Blockhause­n im Erzgebirge schaffte er es bisher nur auf den zweiten Platz.

Wettbewerb­e als Werbung

Die Wettbewerb­e sind für Michael Tamoszus vor allem auch gute Werbung. Darüber gewinnt er viele Aufträge. Europaweit. Er habe so viel zu tun, dass er kaum noch an eigenen Ideen arbeiten könne, sagt Tamoszus. Den Auftrag für den Sensenmann – sein aktuelles Projekt – habe er auf dem Metal-Festival Wacken bekommen. Dort hat der Künstler nun schon zwei Mal geschnitzt. Seine Figuren zieren das Festivalge­lände.

Tamoszus ist viel unterwegs. Ist er nicht auf Reisen, verbringt er den Tag von morgens bis abends in seiner Werkstatt. Vermissen tue er nichts, sagt er. Doch in weiser Voraussich­t schaue er sich schon einmal nach anderen Werkstoffe­n um. „Ich töpfere nebenbei. Für den Fall, dass ich die Motorsäge irgendwann nicht mehr halten kann.“Vorerst wird es jedoch keine Figuren aus Ton zu sehen geben. „Das Töpfern mache ich nur für mich. Für den Verkauf bin ich noch zu schlecht.“

Weitere Infos gibt es auf der Facebookse­ite „Michael Tamoszus Art“.

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FOTO: BIRGA WOYTOWICZ Der Künstler arbeitet mit verschiede­nen Motorsägen, die unterschie­dlich stark sind.

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