Schwäbische Zeitung (Biberach)
Zeidler redet Klartext über Populisten
Biberacher Oberbürgermeister nutzt den Bürgertag für klare Botschaften.
BIBERACH - Den fünften Biberacher Bürgertag in der Stadthalle hat Oberbürgermeister Norbert Zeidler für klare Worte zur politischen Situation im Land genutzt. Vor mehreren Hundert Besuchern zeichnete er im Anschluss sechs Menschen aus, die sich in vorbildlicher Weise für die Stadt und ihre Bürger engagieren (siehe Bericht Seite 19).
Zeidler nutzt seine Ansprache beim Bürgertag traditionell für einen Blick über die Stadtgrenzen hinaus – und auch für kritische Töne. Die wochenlange Hitze habe in Deutschland für eine „merkwürdig-fiebrige Stimmung“, für eine „überhitzte politische Kultur“gesorgt. Die Ereignisse von Chemnitz seien Ausdruck wie Folge einer beunruhigenden Stimmungslage, so Zeidler. Das wohlhabende Deutschland sei seit 2015 hin- und hergerissen zwischen „Wir schaffen das“und Verunsicherung.
Bemerkenswert finde er, dass es wieder „scharf rechts“und „scharf links“gebe. „Scharf links“heiße: Entgrenzung des Nazi-Begriffs. „So schnell wie jetzt war man noch nie ein Nazi. Wer ein Problem in der irregulären Zuwanderung sieht und ausspricht, dass etliche Furchtbarkeiten der letzten Jahre, auch der Messermord in Chemnitz, von Leuten begangen wurde, die eigentlich gar nicht hätten hier sein dürfen, der findet sich schneller in der Nazi-Ecke zwangseingewiesen, als er bis drei zählen kann“, so Zeidler.
„Scharf rechts“heiße: Entgrenzung zum Nazitum hin. „Über Bord mit den Skrupeln. In Chemnitz lässt eine von Björn Höcke angeführte AfD alle Distanz fahren und geht mit einem Milieu zusammen, das NSFreunde inkludiert“, sagte Zeidler. „Mit Leuten, die auf der Straße den Hitlergruß zeigen – oder es zumindest für okay halten, wenn Mitmarschierende das tun; mit Leuten, die ihrer Sehnsucht nach dem Nationalsozialismus offen Ausdruck verleihen, ohne dass ihnen irgendwer sagt: Schnauze halten! Raus!“
Man dürfe nicht zulassen, dass Hysterie zum bestimmenden Grundmodus der Debatte werde, so der Oberbürgermeister. Die leider immer schmaler werdende Mitte des Landes und der Gesellschaft sei aufgerufen, mit Augenmaß die Stimmung zu beruhigen und gleichzeitig dem schwächelnden Rechtsstaat mit bürgerlicher Solidarität beizustehen. Die Mehrheit des Landes wolle weiter am ökonomischen Boom mitwirken und ihre Freiheit genießen.
Den Städten komme im 21. Jahrhundert eine besondere Verantwortung zu. Der Wandel, den Globalisierungsgegner und Populisten verhindern wollen, finde in den Städten längst statt und lasse sich nicht aufhalten. „Die Städte der Welt vernetzen sich und werden zu neuen Global Playern“, sagt Zeidler. Ihre neue Macht entscheide über die zentralen Herausforderungen Migration, Mobilität, Digitalisierung, Gesundheit und Klimaschutz.
Vor diesem Hintergrund seien 2019 wieder Menschen gesucht, die sich einbringen wollen, sagt Zeidler – in Gemeinde- und Ortschaftsräten. „Menschen, die dabei auch bereit sind, die Verwaltung der Stadt kritisch-konstruktiv zu begleiten.“Dies sei eine spannende Aufgabe, so Zeidler: „Es geht darum, unserer Stadt, für die man eine Wegstrecke lang mitverantwortlich sein darf, voranzubringen, den Wohnwert zu erhalten oder zu verbessern, Infrastruktur zu pflegen und zu ergänzen, das soziale Leben zu fördern, Probleme zu beseitigen und Liebenswertes zu erhalten. Kreativität ist dabei ebenso gefragt wie Pragmatismus, Augenmaß ebenso wie Weitblick.“
Zeidler lud die Zuhörer ein, Vorbilder zu sein. Beispiel dafür können die sechs Menschen sein, die der Oberbürgermeister an diesem Abend auszeichnete. „Wir dürfen in Biberach dankbar und stolz darauf sein, dass wir viele Mitmenschen haben, denen der Nächste eben nicht gleichgültig ist. Dass wir Mitbürger haben, die sich einsetzen, ohne im Rampenlicht zu stehen, die sich aufopfern, um zu helfen, die selbst zupacken, anstatt nur nach dem Staat oder der Stadt zu rufen“, würdigte der OB die Geehrten zusammenfassend.
Für das Rahmenprogramm des Bürgertags waren in diesem Jahr die Stadtkapelle Biberach unter der Leitung von Andreas Winter sowie die Beaverettes, die Cheerleadergruppe der Footballmannschaft Biberach Beavers zuständig. Letztere ist erst vor Kurzem in die zweite Liga aufgestiegen. „Und die jungen Frauen der Beaverettes haben sicher ebenfalls ihren Anteil daran, dass das geklappt hat“, lobte Zeidler.
Mit akrobatischen Hebe- und Wurffiguren sowie mit Anfeuerungsrufen gaben die Cheerleader den Gästen einen kleinen Einblick in ihr Können. Die Stadtkapelle sorgte zu Beginn und am Ende des offiziellen Teils für die musikalische Klammer und unterhielt die Gäste auch anschließend beim gemütlichen Stehempfang.
„Die Städte der Welt vernetzen sich und werden zu neuen Global Playern.“OB Norbert Zeidler
„Wir dürfen in Biberach dankbar und stolz darauf sein, dass wir viele Mitmenschen haben, denen der Nächste eben nicht gleichgültig ist.“OB Norbert Zeidler über die Geehrten beim Bürgertag.
Weitere Fotos vom Bürgertag gibt es unter