Schwäbische Zeitung (Biberach)
Retter häufiger Opfer von Gewalt
Verfahren nach Angriffen gegen Polizisten oder Retter sollen nicht eingestellt werden
STUTTGART (tja) - Rettungskräfte und Feuerwehrleute werden in Baden-Württemberg immer häufiger Opfer von Übergriffen. Das geht aus Zahlen des Innenministeriums hervor, die der „Schwäbischen Zeitung“vorliegen. Demnach gab es 2013 solcher 108 Fälle, 2017 bereits 142. In 123 Fällen wurden 2013 Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes – also zum Beispiel Gemeindeangestellte – körperlich oder verbal attackiert, 2017 verzeichnet die Statistik 155 Fälle.
Der rechtspolitische Sprecher der Landtags-CDU, Bernhard Lasotta, fordert daher, Angreifer von Polizisten und Rettungskräften konsequenter zu verfolgen.
STUTTGART - Die Justiz in BadenWürttemberg soll härter gegen Verdächtige vorgehen, denen Attacken auf Polizisten, Mitarbeiter von Städten oder Rettungskräfte vorgeworfen werden. Das fordert die CDU-Landtagsfraktion. Als Vorbild könnte ein Modell aus Offenburg dienen. Justizminister Guido Wolf (CDU) äußert sich eher zurückhaltend.
Retter werden immer häufiger angegangen. Laut Innenministerium steigt die Zahl der Attacken auf Feuerwehr oder Sanitäter: 2013 waren es 108 Fälle, 2017 bereits 142. 2013 wurden 123-mal Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes – also zum Beispiel Gemeindebedienstete – körperlich oder verbal attackiert, 2017 verzeichnet die Statistik 155 Fälle. Die Zahl der Straftaten gegen Polizisten ist im ersten Halbjahr 2018 wieder gestiegen. Genaue Daten teilte das Innenministerium auf Anfrage nicht mit, es zeichne sich aber ein entsprechender Trend ab. 2017 verzeichneten die Behörden 4330 solcher Delikte – nach einem Höchststand von 4394 Taten 2016.
Täter sind oft alkoholisiert
Die Offenburger Staatsanwaltschaft hat seit 2016 ein eigenes Konzept, um Straftaten gegen Polizisten effektiver zu verfolgen. Unter anderem kümmert sich ein Staatsanwalt um diese Fälle und ist so Experte auf dem Gebiet. Die Ankläger nehmen außerdem stets ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung an. In solchen Fällen dürfen Verfahren nicht mehr eingestellt werden. Verfahren werden oft deshalb eingestellt, weil die Attacken im Zusammenhang mit anderen Straftaten geschehen. Beispiel: Es gibt eine Schlägerei, die Polizei schreitet ein und wird beleidigt oder körperlich angegangen. Weil dabei mehrere Taten zusammen begangen werden, haben Strafverfolger die Möglichkeit, die Ermittlungen zu einem der Vergehen einzustellen.
Darüber hinaus sollen die Offenburger Strafverfolger bei entsprechend schweren Fällen mindestens eine Geldstrafe von 50 Tagessätzen verlangen. Ziel ist es, in möglichst vielen Fällen einen öffentlichen Prozess zu führen.
Bereits im März hatte CDU-Generalsekretär Manuel Hagel eine Ausweitung dieser Praxis aufs ganze Land gefordert. Sein Parteikollege Bernhard Lasotta, rechtspolitischer Sprecher seiner Fraktion, fragte nun beim Justizministerium nach dem Stand er Dinge. Ergebnis: Die Offenburger selbst werten ihr Projekt als Erfolg. Drei Viertel der Fälle wurden öffentlich verhandelt, weniger als ein Prozent der Fälle eingestellt. Die Zusammenarbeit mit der Polizei habe sich verbessert, schreibt das Justizministerium. Die Medien berichteten positiv über das Vorgehen, was zu einem guten Gesamteindruck der Justiz beitrage.
Der leitende Oberstaatsanwalt warnt aber davor, zu viel von einem solchen Konzept zu erwarten. Solche Übergriffe seien oft „Spontantaten“von „nicht selten alkoholisierten Personen“. In der Tat scheint fraglich, ob höhere Strafen Angreifer, die im Rausch Beamte attackieren, abschrecken. Auch das Ministerium hat das Modell untersucht. Ergebnis:
Im Vergleich zu anderen Staatsanwaltschaften erhoben die Juristen in Offenburg wesentlich öfter Anklage oder erreichten, dass Strafbefehle verhängt wurden. „Die CDU-Fraktion begrüßt das Offenburger Modell und regt an, die positiven Erfahrungen aus der Praxis in Offenburg auch auf andere Bereiche im Land sowie auf Straftaten zum Nachteil aller Bediensteten des öffentlichen Dienstes mit Kundenkontakt auszuweiten“, fordert Lasotta daher.
Polizei sieht keinen Bedarf
Damit stößt er im Ministerium auf Skepsis. Das hatte die Angelegenheit im Mai mit den Leitern der Staatsanwaltschaften in Baden-Württemberg besprochen. Deren Rückmeldung: Schon jetzt würden Straftaten gegen Polizisten konsequent verfolgt. Sie wollen sich aber künftig besser mit der Polizei absprechen, um Ermittlungen zu optimieren. Mittlerweile gab es demnach Gespräche mit den Polizeipräsidenten, die ebenfalls keinen Bedarf für Änderungen sähen.