Schwäbische Zeitung (Biberach)
Verschnupft und motzend im All
Trotz Erfolg der Mission Apollo 7 brodelte es mächtig hinter den Kulissen
WASHINGTON (dpa) - Von Anfang an lief es nicht rund. Der Start der Apollo-7-Mission der US-Raumfahrtbehörde Nasa stand am Donnerstag, den 11. Oktober, vor 50 Jahren kurz davor, abgesagt zu werden. Zu stark war der Wind am Weltraumbahnhof Cape Canaveral im US-Bundesstaat Florida. Aber die Nasa-Leitung machte Druck.
Es steht viel auf dem Spiel: Rund anderthalb Jahre zuvor waren beim Brand der „Apollo 1“-Kapsel während einer Übung drei Nasa-Astronauten ums Leben gekommen. Der Start von „Apollo 7“fühlt sich für die Astronauten dramatisch an. „Als ich die Zündung gehört habe, gab es ein brutales, vibrierendes Geräusch. Unwirklich. Beim Start konnte ich die Uhr gar nicht richtig sehen, ich dachte, die Welt geht unter“, erinnert sich „Apollo 7“-Kommandant Walter Schirra später. Aber der Start verläuft erfolgreich.
Kurz danach allerdings gehen die Probleme weiter. Kommandant Schirra bekommt eine Erkältung und steckt auch noch seine beiden Kollegen Donn Eisele und Walter Cunningham an. Da Nasensekrete im All aufgrund der Schwerelosigkeit nicht automatisch ablaufen, fühlt sich laut Astronauten eine Erkältung im All deutlich unangenehmer an als auf der Erde. Die drei Astronauten fühlten sich matt und müde, gleichzeitig sollten sie aber eigentlich ein straffes Testprogramm absolvieren.
Antriebstest im All sorgt für Streit
Besonders Schirra stritt sich immer wieder mit der Flugleitung am Boden. „Ich wünschte, ihr würdet den Namen des Idioten herausfinden, der sich diesen Test ausgedacht hat“, schnauzte er einmal bei einem Antriebstest Richtung Flugleitung.
Als wäre das nicht genug, gab es weitere Probleme: Das Essen – unter anderem dehydrierter Obstsalat, Zimttoast, Kakao, Hühnchensalat
und Lebkuchen – war den Astronauten „zu viel und zu süß“. Die Toiletten funktionierten nicht richtig. Keiner von den dreien schlief gut. „Die
ganze Zeit da oben konnte ich nicht richtig schlafen“, erinnerte sich Donn Eisele später. „Das lag an dem komischen Stundenplan und den Aktivitäten und Unterhaltungen der anderen.“Vom Boden aus bat die Nasa die kranken Astronauten zudem ständig, ihr ohnehin schon straffes Arbeitsprogramm noch zu ergänzen.
Öffentlich war von alldem nichts zu hören. Apollo 7 hatte erstmals eine Kamera dabei, mit der LiveÜbertragungen ins Fernsehen möglich waren. Lächelnd hielten die drei Männer Fanpost in die Kamera und bedankten sich artig – für die Nasa ein PR-Coup, für den sie sogar einen renommierten US-Fernsehpreis, den Emmy, gewann.
Astronauten wollen Helme nicht tragen
Hinter den Kulissen aber brodelte es weiter und gipfelte schließlich in den Auftritt bei der Landung. Die verschnupften Astronauten wollten ihre Helme nicht tragen, weil sie Angst hatten, dass sie sich dann nicht die Nasen zuhalten könnten und ihre Trommelfelle platzen würden. Die Flugleitung aber bestand aus Sorge darauf, dass sich die Astronauten sonst das Genick brechen könnten. „Ich ordne an, dass du deinen Helm anziehst“, sagte Chef-Astronaut Deke Slayton vom Boden aus zu Kommandant Schirra. Dessen Antwort: „Dann komm doch hoch und zieh ihn mir an.“
Die Landung, nach zehn Tagen, 20 Stunden, neun Minuten und 163 Erdumrundungen, läuft erfolgreich. Ohne Helme. Chef-Astronaut Slayton nimmt sich Kommandant Schirra danach erst einmal für eine Aussprache zur Seite. Die Mission sei ein Erfolg gewesen, da sind sich alle bei der Nasa einig. Die vielen Tests hätten wichtige Informationen geliefert. Aber die Stimmung ist vergiftet. „Ich war total sauer“, erinnert sich Missionsleiter Glynn Lunney später. „Das war ein Affront, unangebracht und aufmüpfig.“
Eisele starb 1987, Schirra 2007. Cunningham ist heute 86 Jahre alt. Die berühmt-berüchtigte Apollo-7Mission blieb für alle drei Astronauten der letzte Flug ins All.