Schwäbische Zeitung (Biberach)
Wie sich Zeit in Zahnarztpraxen verhält
Die klügsten Menschen der Welt haben sich an den Fragen von Zeit und Raum schon die Zähne ausgebissen. Und in der Theorie gibt es bereits die Möglichkeit, mittels einer Reise durch die Zeit zum Beispiel der eigenen Behandlung beim Zahnarzt zu entgehen. Man muss einfach nur, während man im Wartezimmer sitzt, die Reise starten – und zack, schon spaziert man, ohne dem gewahr geworden zu sein, mit stillgelegten Zahnwurzeln oder frisch eingezwirbelten Gewinden im Backenzahn aus dem Behandlungszimmer und fragt: „Is was, Doc?“
Das Problem ist die Lichtgeschwindigkeit, derer es mindestens bedarf, um solcherlei schmerzvermeidende Zeitsprünge zu unternehmen. Tatsächlich ist in medizinischen Warteräumen oder auf Behandlungsstühlen ein gegenteiliges Verhalten des RaumZeit-Kontinuums zu beobachten. Anstatt zügig voranzuschreiten, scheint die Uhr jeden unangenehmen Moment im Angesicht des fein angeordneten zahnärztlichen Instrumentariums mit eisernen Krallen festzuhalten. Die Minuten ziehen wie angefrorener Honig Fäden. Die Sekunden schlurfen.
Eine Intensivierung dieser Verlangsamungsphänomene ist zu beobachten, wenn der im wahrsten Sinne des Wortes nervtötende Zahnarzt dann sämtliche ihm zur Verfügung stehenden Schleif-, Saug-, Bohr- und Poliergeräte in Rotation bringt. Außerdem belieben Ärzte während der Behandlung Fragen an den Patienten zu stellen, der diese wegen des Maschinenparks im Mund naturgemäß nicht beantworten kann. Warum der Zahnmediziner das tut, ist klar: Er möchte sich die Zeit vertreiben. (nyf )