Schwäbische Zeitung (Biberach)
Brexit-Verhandlungen scheitern erneut
Britischer Deal mit Brüssel soll bis zum Gipfel am Mittwoch stehen – Massiver Widerstand von EU-Feinden
LONDON - Im Vorfeld des EU-BrexitGipfels am Mittwoch suchen London und Brüssel weiter nach einer Verhandlungslösung. Auf der Insel rufen EU-Feinde innerhalb und außerhalb der konservativen Regierungspartei jedoch zum Gefecht: Keinesfalls dürfe Premierministerin Theresa May einer Zollunion mit den EU-Staaten zustimmen. Der frühere Brexit-Minister David Davis rief Mays Kabinett zur Revolte auf.
In den letzten Tagen kristallisierte sich ein Kompromiss heraus, der auf Mays Chequers-Papier basiert. Dieses sieht eine vergleichsweise weiche Variante des EU-Austritts Ende März vor: Großbritannien solle einen engen Assoziationsstatus mit der EU bekommen. Das Land würde in einer Zollunion mit den 27 Partnern verbleiben. Nordirland bliebe zusätzlich befristet im Binnenmarkt für Güter sowie teilweise auch für Dienstleistungen. Damit wäre zwar das Problem der inneririschen Grenze gelöst; der britische Teil Irlands bekäme aber einen ökonomischen Sonderstatus.
Dagegen laufen neben den konservativen EU-Feinden wie Davis auch die erzkonservativen DUP-Unionisten unter der früheren nordirischen Ministerpräsidentin Arlene Foster Sturm. Ihr Brexit-Sprecher im Unterhaus forderte die Konservativen zu Mays Sturz auf; dem Haushalt der Minderheitsregierung werde die DUP Ende des Monats nicht zustimmen. Bisher unterstützen die zehn protestantischen DUP-Abgeordneten May in wichtigen Abstimmungen.
Am Samstag sorgte ein vorläufiger Zeitplan aus Delegationskreisen in Brüssel für Aufregung. Das Papier sah eine Einigung für Sonntag vor; diese müsse am heutigen Montag vom britischen Kabinett abgesegnet werden, ehe EU-Unterhändler Michel Barnier und Brexit-Minister Dominic Raab die Öffentlichkeit unterrichten könnten, berichteten „Süddeutsche Zeitung“und Spiegel Online. Ein Sprecher der Downing Street dementierte dies. Auch Barnier teilte am Sonntagabend in Brüssel mit, dass bei den Brexit-Verhandlungen keine Einigung gelungen ist. Bis zum EU-Gipfel soll es keine weiteren Verhandlungen geben. Gespräche am Wochenende waren gescheitert.
Hunt plädiert für Zusammenarbeit
Auf dem Treffen der EU-Außenminister in Luxemburg will Großbritanniens Außenminister Jeremy Hunt den 27 Partnern eine enge Kooperation anbieten. Besonders „globale Probleme wie Migration und Cyber-Attacken“könne man nur gemeinsam angehen, glaubt der Konservative.
Unterdessen lockt Finanzminister Philip Hammond, Anführer der EUfreundlicheren Kabinettsmitglieder, unentschlossene Parlamentarier mit der Aussicht auf größere Sozialausgaben sowie staatliche Investitionen. Nach einer Vereinbarung mit der EU werde das Land eine „Deal-Dividende“erhalten, argumentiert der 62Jährige: Freundlichere Prognosen der Finanzmärkte sowie bisher zurückgehaltene Investitionen der Industrie würden das Wachstum ankurbeln. Damit nicht genug: Sobald die BrexitUnsicherheit beendet sei, könne die Regierung einen Finanzpuffer von 15 Milliarden Pfund abbauen.
Der Verbleib in der EU-Zollunion ohne zeitliche Begrenzung entspricht den Vorstellungen der Labour-Opposition. Zwar will deren Vorsitzender Jeremy Corbyn die Abstimmung über den EU-Deal in ein Misstrauensvotum gegen die Regierung umwandeln und damit Neuwahlen erzwingen. Für einen neuen Urnengang aber fehlen ihm die Stimmen. Dass ein Votum gegen den Brüsseler Deal den ChaosBrexit zur Folge haben könnte, bereitet vielen Labour-Abgeordneten schlaflose Nächte.