Schwäbische Zeitung (Biberach)

Karriereki­ller „Schwäbisch“: Ist Dialekt nur noch Folklore?

- Von Gerd Mägerle und Barbara Braig

Im Kino läuft aktuell mit Dodokays „Die 1000 Glotzböbbe­l des Dr. Mabuse“ein komplett schwäbisch synchronis­ierter Krimi-Klassiker, Brezeln schätzt man weit über die Grenzen Schwabens hinaus und schwäbisch­es Know-how hat weltweit einen guten Ruf. Doch wenn es um die Mundart geht, die die Schwaben eint, teilen sich die Meinungen. Immer wieder hört man: Wer Schwäbisch spricht, tut sich schwerer, die Karrierele­iter zu erklimmen, als jemand, der Hochdeutsc­h spricht. Stimmt das? Robert Barthold ist Rektor der Mittelberg-Grundschul­e in Biberach. Die Schulanfän­ger, die bei ihm ankommen, reden so, wie sie es vom Elternhaus vermittelt bekommen. „Das Thema ist mittlerwei­le weniger der Dialekt“, sagt er. Zunehmend mehr Grundschül­er stammten aus Elternhäus­ern, in denen Deutsch nicht die Mutterspra­che ist. „Würden wir da in der Schule Schwäbisch reden, hätten es diese Kinder noch schwerer“, sagt Barthold. Klar geregelt ist deshalb im Bildungspl­an: Unterricht­sprache ist die dialektfre­ie deutsche Hochsprach­e.

„Das heißt aber nicht, dass wir Kindern, die Schwäbisch sprechen, das Gefühl geben, Dialekt ist schlecht und Hochdeutsc­h ist gut“, so Barthold. Vielmehr komme es darauf an, die Kinder zu sensibilis­ieren, in welcher Situation der Dialekt und in welcher die Hochsprach­e angebracht ist. „Wenn ich Unterricht halte, rede ich Hochdeutsc­h. Bin ich im Zwiegesprä­ch mit einem Kind, das Mundart spricht, wechsle ich auch mal ins Schwäbisch­e.“Eine besondere Herausford­erung für Dialekt-Kinder in der Grundschul­e sei die Verschrift­lichung der Sprache, sagt Barthold. „Da kann das Schwäbisch­e zur Hürde werden, wenn ein Kind rein nach Gehör schreibt, zum Beispiel ,Boscht’ statt ,Post’.“Das Hochdeutsc­he sei notwendig für eine gelingende Biografie, das Schwäbisch­e aber Teil der Identität, „was ebenfalls wichtig ist“, findet der Rektor. „Deswegen soll es auch nicht verdrängt werden.“Ähnlich sieht das Sabine Imlau, Rektorin des Pestalozzi-Gymnasiums in Biberach. „Man darf aufgrund einer dialektale­n Färbung durchaus hören, woher jemand kommt, das sollte aber nicht zulasten der Verständli­chkeit gehen“, sagt sie. Am Gymnasium könne ein zu starker Dialekt bei Präsentati­onen schon mal zu einem kleinen Punktabzug führen, auch wenn inhaltlich alles korrekt sei. Es gebe auch Untersuchu­ngen, die besagten, dass Dialektspr­echer von Hochdeutsc­h sprechende­n Menschen für nicht so intelligen­t gehalten werden, weil der Dialekt als „Sprache der einfachen Leute“gilt. „Es ist deshalb für die Karriere sicher von Vorteil, wenn man die Hochsprach­e beherrscht“, so Imlau.

Hemmung wegen des Dialekts

Sie habe auch schon Dialekt sprechende Schüler erlebt, die sich mit den mündlichen Beiträgen im Unterricht aus Hemmung zurückgeha­lten hätten, „obwohl es ausgesproc­hen kluge Kinder waren“. Generell sei das Thema Dialekt am Gymnasium kein besonders großes. Viele Schüler lernten die Hochsprach­e inzwischen im Elternhaus, sagt Imlau, die aus Südbaden stammt: „Fahre ich nach Hause, verfalle ich automatisc­h wieder in meinen Dialekt. Er ist bildreiche­r und ich kann darin Gefühle besser ausdrücken.“Bis zu 400 Bewerbungs­gespräche führen Petra Romer-Aschenbren­ner und Thorsten Lehmann pro Jahr. Sie sind beim Pharmaunte­rnehmen Boehringer Ingelheim, Biberachs größtem Arbeitgebe­r, für die Ausbildung zuständig. Das Thema Dialekt spielt dabei nur eine untergeord­nete Rolle. „Wenn es um Berufe im kaufmännis­chen Bereich geht, muss der Bewerber in der Lage sein, hochdeutsc­h zu kommunizie­ren“, sagt Lehmann. Anders sei das bei den Mitarbeite­rn in den Laboren, „Da interessie­rt mich der Dialekt eigentlich nicht. Dort ist es aufgrund unserer internatio­nalen Ausrichtun­g wichtiger, dass jemand gut Englisch kann.“Dazu erhielten die Auszubilde­nden entspreche­nde Schulungen. Im Kollegenkr­eis gebe es viele, die unterschie­dliche Dialekte sprechen, sagt Romer-Aschenbren­ner: „Ich finde das bereichern­d.“In der Biopharmaz­ie bei Boehringer gebe es in der Führungseb­ene mehrere Schwaben. „Das zeigt, dass Schwäbisch kein Karriereki­ller ist“, sagt Lehmann. Vielmehr sei es Ausdruck der starken Rolle, die Biberach und damit Oberschwab­en in der Biopharmaz­ie im Unternehme­n spielten.

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Foto: Daniel Karmann/dpa Hat es jemand, der Dialekt spricht, schwerer, beruflich vorwärtszu­kommen?
 ?? Foto: Gerd Mägerle ?? Petra Romer-Aschenbren­ner und Thorsten Lehmann kümmern sich um das Thema Ausbildung bei Boehringer Ingelheim.
Foto: Gerd Mägerle Petra Romer-Aschenbren­ner und Thorsten Lehmann kümmern sich um das Thema Ausbildung bei Boehringer Ingelheim.
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