Schwäbische Zeitung (Biberach)
Karrierekiller „Schwäbisch“: Ist Dialekt nur noch Folklore?
Im Kino läuft aktuell mit Dodokays „Die 1000 Glotzböbbel des Dr. Mabuse“ein komplett schwäbisch synchronisierter Krimi-Klassiker, Brezeln schätzt man weit über die Grenzen Schwabens hinaus und schwäbisches Know-how hat weltweit einen guten Ruf. Doch wenn es um die Mundart geht, die die Schwaben eint, teilen sich die Meinungen. Immer wieder hört man: Wer Schwäbisch spricht, tut sich schwerer, die Karriereleiter zu erklimmen, als jemand, der Hochdeutsch spricht. Stimmt das? Robert Barthold ist Rektor der Mittelberg-Grundschule in Biberach. Die Schulanfänger, die bei ihm ankommen, reden so, wie sie es vom Elternhaus vermittelt bekommen. „Das Thema ist mittlerweile weniger der Dialekt“, sagt er. Zunehmend mehr Grundschüler stammten aus Elternhäusern, in denen Deutsch nicht die Muttersprache ist. „Würden wir da in der Schule Schwäbisch reden, hätten es diese Kinder noch schwerer“, sagt Barthold. Klar geregelt ist deshalb im Bildungsplan: Unterrichtsprache ist die dialektfreie deutsche Hochsprache.
„Das heißt aber nicht, dass wir Kindern, die Schwäbisch sprechen, das Gefühl geben, Dialekt ist schlecht und Hochdeutsch ist gut“, so Barthold. Vielmehr komme es darauf an, die Kinder zu sensibilisieren, in welcher Situation der Dialekt und in welcher die Hochsprache angebracht ist. „Wenn ich Unterricht halte, rede ich Hochdeutsch. Bin ich im Zwiegespräch mit einem Kind, das Mundart spricht, wechsle ich auch mal ins Schwäbische.“Eine besondere Herausforderung für Dialekt-Kinder in der Grundschule sei die Verschriftlichung der Sprache, sagt Barthold. „Da kann das Schwäbische zur Hürde werden, wenn ein Kind rein nach Gehör schreibt, zum Beispiel ,Boscht’ statt ,Post’.“Das Hochdeutsche sei notwendig für eine gelingende Biografie, das Schwäbische aber Teil der Identität, „was ebenfalls wichtig ist“, findet der Rektor. „Deswegen soll es auch nicht verdrängt werden.“Ähnlich sieht das Sabine Imlau, Rektorin des Pestalozzi-Gymnasiums in Biberach. „Man darf aufgrund einer dialektalen Färbung durchaus hören, woher jemand kommt, das sollte aber nicht zulasten der Verständlichkeit gehen“, sagt sie. Am Gymnasium könne ein zu starker Dialekt bei Präsentationen schon mal zu einem kleinen Punktabzug führen, auch wenn inhaltlich alles korrekt sei. Es gebe auch Untersuchungen, die besagten, dass Dialektsprecher von Hochdeutsch sprechenden Menschen für nicht so intelligent gehalten werden, weil der Dialekt als „Sprache der einfachen Leute“gilt. „Es ist deshalb für die Karriere sicher von Vorteil, wenn man die Hochsprache beherrscht“, so Imlau.
Hemmung wegen des Dialekts
Sie habe auch schon Dialekt sprechende Schüler erlebt, die sich mit den mündlichen Beiträgen im Unterricht aus Hemmung zurückgehalten hätten, „obwohl es ausgesprochen kluge Kinder waren“. Generell sei das Thema Dialekt am Gymnasium kein besonders großes. Viele Schüler lernten die Hochsprache inzwischen im Elternhaus, sagt Imlau, die aus Südbaden stammt: „Fahre ich nach Hause, verfalle ich automatisch wieder in meinen Dialekt. Er ist bildreicher und ich kann darin Gefühle besser ausdrücken.“Bis zu 400 Bewerbungsgespräche führen Petra Romer-Aschenbrenner und Thorsten Lehmann pro Jahr. Sie sind beim Pharmaunternehmen Boehringer Ingelheim, Biberachs größtem Arbeitgeber, für die Ausbildung zuständig. Das Thema Dialekt spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle. „Wenn es um Berufe im kaufmännischen Bereich geht, muss der Bewerber in der Lage sein, hochdeutsch zu kommunizieren“, sagt Lehmann. Anders sei das bei den Mitarbeitern in den Laboren, „Da interessiert mich der Dialekt eigentlich nicht. Dort ist es aufgrund unserer internationalen Ausrichtung wichtiger, dass jemand gut Englisch kann.“Dazu erhielten die Auszubildenden entsprechende Schulungen. Im Kollegenkreis gebe es viele, die unterschiedliche Dialekte sprechen, sagt Romer-Aschenbrenner: „Ich finde das bereichernd.“In der Biopharmazie bei Boehringer gebe es in der Führungsebene mehrere Schwaben. „Das zeigt, dass Schwäbisch kein Karrierekiller ist“, sagt Lehmann. Vielmehr sei es Ausdruck der starken Rolle, die Biberach und damit Oberschwaben in der Biopharmazie im Unternehmen spielten.