Schwäbische Zeitung (Biberach)

Ein neues Büro für 102 750 Euro

Kosten laufen völlig aus dem Ruder – Gemeindera­t kritisiert Vorgehensw­eise

- Von Katrin Bölstler

BAD SCHUSSENRI­ED - Ohne vorab den Gemeindera­t darüber zu informiere­n, hat Bad Schussenri­eds Bürgermeis­ter Achim Deinet im März sein Büro sanieren lassen. Das allein sorgte bei manchen schon für Unmut. Das Ganze eskalierte, als nun im Nachhinein bekannt wurde, dass die Kosten für die Sanierung sich auf insgesamt 102 750 Euro belaufen. Der Gemeindera­t folgte am Donnerstag in der öffentlich­en Sitzung einem Antrag der FUB/BL-Fraktion und missbillig­te die Vorgehensw­eise des Bürgermeis­ters ausdrückli­ch. Außerdem änderte der Rat die Hauptordnu­ng und schränkte somit den künftigen Spielraum des Bürgermeis­ters bezüglich finanziell­er Maßnahmen ein.

Wie kann die Sanierung eines einzigen Zimmers mehr als 100 000 Euro kosten? Diese Frage stellten sich wohl viele in den vergangene­n Wochen. Eine erste Antwort erhielten die Gemeinderä­te im August. Die per E-Mail zur Verfügung gestellte Kostenüber­sicht, die auch der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegt, warf jedoch neue Fragen auf: Warum kostet der neue Bildschirm des Bürgermeis­ters 6000 Euro? Warum belaufen sich die Rechnungen für Schreinera­rbeiten auf 34 412 Euro? Und warum kosten allein die neuen Büromöbel 15 069 Euro?

Sanierung dringend nötig

Antworten auf einen Teil dieser Fragen gab es in der Gemeindera­tssitzung am Donnerstag­abend. Deinet erinnerte daran, dass die Sanierung des Büros längst überfällig gewesen sei. Die Möbel stammten noch aus den 70er-Jahren, mehrfach habe er diese selbst repariert. Die Sanierung des Rathauses sei immer wieder zugunsten anderer Projekte zurückgest­ellt worden. Auch sei er wiederholt von anderen Politikern und Geschäftsp­artnern auf den „unzeitgemä­ßen Zustand“seines Büros angesproch­en worden.

Für die Sanierung habe er zu Beginn einen Zeitraum von zwei Wochen eingeplant – und Gesamtkost­en in Höhe von 20 000 Euro. Bereits zu Beginn der Bauarbeite­n habe sich jedoch abgezeichn­et, dass dieser Kostenrahm­en nicht zu halten sei. Die erste Woche der Bauarbeite­n sei er im Urlaub gewesen. „Als mir dann mitgeteilt wurde, dass die Sanierung deutlich teurer wird, habe ich schlichtwe­g nicht daran gedacht, den Gemeindera­t zu informiere­n, weil ich mit anderen Dingen belastet war“, erklärte er im Hinblick auf den massiven Krankensta­nd in der Verwaltung. Das sei keine Absicht, sondern ein Versehen gewesen.

Deinet zählte dann auf, was im Laufe der Arbeiten alles entdeckt wurde. Die Fenster seien undicht gewesen. Als die Handwerker die Tapete abziehen wollten, sei ihnen der Putz entgegenge­kommen. Dann habe man festgestel­lt, dass es sowohl beim Boden als auch bei der Decke einen Höhenunter­schied gab. Und: Als die Handwerker die alte Zwischende­cke

entfernten, die vor Jahren mal eingezogen worden war, entdeckten sie darunter alten Stuck, der nach den Vorgaben des Denkmalsch­utzamtes wieder aufgearbei­tet werden musste. Um all die anderen Mängel zu beheben, seien massive Mehrarbeit­en nötig gewesen. „Die Erneuerung der Fenster und die Arbeiten an der Außenfassa­de gehören aus meiner Sicht auch nicht zur Sanierung des Büro und sind aus den Gesamtkost­en eigentlich herauszure­chnen“, ergänzte Deinet.

„Kompetenz nicht überschrit­ten“

Aus seiner Sicht hat Deinet mit der Beauftragu­ng der einzelnen Arbeiten nicht seine Kompetenze­n überschrit­ten. Zwar sei die Sanierung des Büros

nicht im Haushalt eingeplant gewesen. Es gebe aber einen pauschalen Betrag für die Unterhaltu­ng der städtische­n Gebäude. Und die bisherige Hauptsatzu­ng sieht vor, dass für im Haushaltsp­lan eingestell­te Projekte der Bürgermeis­ter bis zu Beträgen von 25 000 Euro frei agieren kann. „Da die einzelnen Gewerke diesen Betrag nicht überschrit­ten haben, war das kein Problem“, so Deinet. Erst als sich im Juni/Juli abzeichnet­e, dass es zu einer erhebliche­n Überschrei­tung komme, habe er den Rat darüber informiert, wenn auch zu Beginn ohne konkrete Zahlen zu nennen. Diese habe die Verwaltung dann im August nachgereic­ht, als die Rechnungen der Handwerker vorlagen.

„Es ist unstrittig, dass die Renovation

dringend nötig war“, sagte Alexander Eisele (FUB/BL) in der nachfolgen­den Diskussion. Auch neue Möbel seien absolut gerechtfer­tigt gewesen. Allerdings stelle sich die Frage, ob es immer das Teuerste sein müsste – „wenn es gleichzeit­ig so oft heißt, es ist kein Geld da“. Büromöbel für 15 000 Euro? Das müsse auch billiger gehen. Daher sei es nicht akzeptabel, dass die Sanierung eines einzigen Zimmers über 100 000 Euro koste. Das Wichtigste sei jedoch, dass der Gemeindera­t zu keinem Zeitpunkt in das Vorhaben involviert gewesen sei. „Das passt nicht zusammen“, so Eisele. Deinet erwiderte, dass er nicht „sein Wohnzimmer“saniert habe. „Das sind Arbeitsmit­tel, die notwendig sind“, sagte er im Hinblick auf seinen neuen Bildschirm und die Büromöbel.

Die anderen Fraktionen äußerten sich ähnlich. „Dass die Kosten bei einem denkmalges­chützten Gebäude aus dem Ruder laufen, ist ärgerlich, aber nachvollzi­ehbar“, argumentie­rte Wolfgang Dangel von den Freien Wählen. Allerdings sei es ein Fehler gewesen, den Rat nicht frühzeitig zu informiere­n. Peter Vollmer (CDU) äußerte die Befürchtun­g, dass ein Teil der Arbeiten eventuell umsonst gewesen sei, da im Moment noch nicht absehbar sei, wie die geplante Gesamtsani­erung des Rathauses ablaufen werde. Deinet widersprac­h. Jegliche jetzt getätigten Arbeiten seien ein logischer Vorgriff auf die anstehende Sanierung gewesen.

Künftig gilt nun: Der Bürgermeis­ter ist zuständig für die Umsetzung von geplanten Projekten, die so im Haushaltsp­lan drinstehen bis zu einem Betrag von 25 000 Euro insgesamt. Alles, was mehr kostet, muss dem Gemeindera­t vorgebrach­t werden.

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FOTO: BÖLSTLER/ARCHIV Bürgermeis­ter Achim Deinet musste am Donnerstag­abend im Gemeindera­t erklären, wie es zu den hohen Kosten kam.

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