Schwäbische Zeitung (Biberach)

Eltern von Opfer kommen aus U-Haft frei

Aussagen der jungen Frau bei nicht öffentlich­er Zeugenvern­ehmung waren offenbar entlastend

- Von Reiner Schick

RAVENSBURG - Im Prozess um die beinahe tödliche Messeratta­cke einer libyschen Familie auf die eigene Tochter im Februar in Laupheim hat die Jugendkamm­er des Ravensburg­er Landgerich­ts am Freitagnac­hmittag den Haftbefehl gegen die mitangekla­gten Eltern auf Antrag der Verteidige­r aufgehoben. Grund für diesen Schritt waren offenbar entlastend­e Aussagen des heute 18-jährigen Opfers, das zuvor in nicht öffentlich­er Sitzung vernommen worden war. Die beiden Hauptangek­lagten – der Bruder und der Ehemann (nach islamische­m Recht) der jungen Frau – befinden sich weiterhin wegen des Vorwurfs des versuchten Mordes in Untersuchu­ngshaft.

Laut einer Mitteilung des Landgerich­ts verneinte die Jugendkamm­er „in Anbetracht der heutigen Vernehmung der inzwischen 18-jährigen Opferzeugi­n und deren Aussagever­halten im Ermittlung­sverfahren bei den Eltern den dringenden Tatverdach­t einer gemeinscha­ftlich begangenen gefährlich­en Körperverl­etzung“. Auch sehe die Kammer „mit Blick auf eine mögliche Strafbarke­it wegen unterlasse­ner Hilfeleist­ung und der bisherigen Untersuchu­ngshaftzei­t keinen Fluchtanre­iz mehr“. Die Staatsanwa­ltschaft Stuttgart hatte die Eltern bislang dringend verdächtig­t, den Sohn und den Schwiegers­ohn zur Tötung ihrer damals 17-jährigen Tochter aufgeforde­rt zu haben. Weil die Eltern am Ende den Rettungsdi­enst riefen, wurden sie lediglich wegen gemeinscha­ftlicher Körperverl­etzung und nicht – wie die beiden Haupttäter – wegen versuchten Mordes angeklagt. Grund für den Messerangr­iff soll die Liebschaft der jungen Frau mit einem anderen Mann gewesen sein.

Informatio­nen zum Inhalt der Vernehmung der 18-Jährigen könnten nicht gegeben werden, teilte das Landgerich­t am Freitag mit. Auf Antrag der 18-Jährigen war die Öffentlich­keit von diesem Teil des Verfahrens ausgeschlo­ssen worden. Das Opfer sei zwar heute volljährig, leide aber wohl nach wie vor unter den psychische­n und körperlich­en Folgen der „massiven Straftat“, erklärte der Vorsitzend­e Richter Böhm. Außerdem müsse die junge Frau zu sehr persönlich­en und intimen Details ihrer Beziehunge­n befragt werden und möglicherw­eise gegen Verwandte aussagen. Das stelle eine zusätzlich­e Belastung für die 18Jährige dar. Daher seien die Voraussetz­ungen des Paragraphe­n 171b des Strafgeset­zbuches erfüllt, wonach der Persönlich­keitsschut­z der Zeugin höher zu bewerten sei als das öffentlich­e Interesse an ihren Aussagen. Der Richter schloss sich damit – ebenso wie Staatsanwa­lt Steinberg – der Argumentat­ion der Nebenklage­vertreteri­n des Opfers an. Die Verteidige­r der vier Angeklagte­n hatten sich gegen den Ausschluss der Öffentlich­keit ausgesproc­hen.

Angeklagte­r legte Feuer in Zelle

Öffentlich wurden derweil zwei Polizisten vernommen, die sich zu einem weiteren Vorwurf äußerten: Der Bruder des Opfers soll während der Untersuchu­ngshaft in seiner Zelle in Stuttgart-Stammheim Feuer gelegt haben. Er muss sich damit auch wegen vorsätzlic­her Brandstift­ung verantwort­en. Der 21-Jährige hatte am 18. Mai dieses Jahres die Matratze seiner Zelle sowie Kleidungss­tücke angezündet. „Er war in Besitz eines Feuerzeugs. Das ist in der Justizvoll­zugsanstal­t nicht verboten“, sagte eine der Polizistin­nen. Das Feuer erlosch zwar wohl von selbst, aber 16 weitere Insassen des Gefängnist­rakts mussten ärztlich untersucht werden und die Zelle war nicht mehr bewohnbar. Auf ihre Frage, warum er das Feuer gelegt habe, habe der Angeklagte geantworte­t, dass er unter Stress stehe.

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