Schwäbische Zeitung (Biberach)
Rom sagt basta
Chaotische Zustände: Immer mehr Einheimische wettern gegen die Bürgermeisterin
ROM - Am Samstag werden nach ersten Schätzungen wahrscheinlich 50 000 Römer auf dem Platz vor dem Kapitol demonstrieren: gegen Bürgermeisterin Virginia Raggi, die in dem Palast ihren Amtssitz hat. Eine Demo gegen die Stadtregierung, von Bürgern und nicht von einer Partei organisiert. Das hat es in Rom noch nicht gegeben.
Die Organisatoren der Veranstaltung „Roma dice basta“(Rom sagt Schluss) sind sechs Frauen. Sechs Bürgerinnen, die sich vor mehr als einem Jahr via Facebook kennenlernten. Die, unabhängig voneinander, Fotos posteten von erschreckenden Zuständen eines vernachlässigten und schmutzigen Roms. So fanden Emma Amiconi, Tatiana Campioni, Francesca Barzini, Valerie Grilli, Roberta Bernabei und Martina Cardelli zueinander. Die Römerinnen gründeten eine Facebook-Gruppe, die schnell auf Tausende von Mitgliedern anwuchs. Die Bilder, die sie und andere aufgebrachte Bürger dort posteten, haben es in sich.
Müllberge beim Kolosseum, überquellende Mülltonnen wie im Stadtteil Prati beim Vatikan, der wochenlang nicht abgeholt wird. Öffentliche Verkehrsmittel, die nur dann und wann fahren. Busse, die nicht gewartet werden und deshalb auch schon mal in Brand geraten, insgesamt 21 Mal seit Jahresanfang. Städtische Grünflächen, wie der große Park der Villa Borghese oberhalb der Spanischen Treppe, um die sich seit mehr als einem Jahr kein städtischer Gärtner kümmert, und verwildern. Immer mehr Tote und Verletzte gibt es
unter Moped- und Fahrradfahrern, aber auch unter Fußgängern, weil die bis zu 30 Zentimeter tiefen Straßenlöcher nicht mehr repariert werden.
Bürgermeisterin Virginia Raggi, 40 Jahre und Mitglied der populistischen 5-Sterne-Bewegung, war vor zwei Jahren mit einem überwältigenden Wahlsieg in ihr Amt gewählt worden. Sie sollte und wollte Rom komplett umkrempeln und die Misswirtschaft ihrer Vorgänger vergessen machen. Doch mit ihrem Wahlsieg wurde alles noch viel schlimmer. „Man hat den Eindruck“, so Roberta Bernabei, eine der sechs Protestfrauen, „dass sie und ihre Mitarbeiter mit ihren Aufgaben nicht fertig werden, dass sie unfähig sind“.
Egal was Raggi anpackt: Es gerät zum Flop. Permanent baut sie ihre Riege aus Stadträten um, zudem wird gegen sie wegen Korruption ermittelt. Die Folgen sind dramatisch. „Rom ist heute Italiens heruntergekommenste Stadt“, klagt der römische Erfolgsautor Andrea Camilleri. In den Sozialmedien entlädt sich jeden Tag der Bürgerzorn. Die Müllabfuhr AMA, ein Unternehmen, das der Stadt gehört, steht vor der Pleite, und kann ab November keine Gehälter mehr auszahlen. Die städtische Verkehrsgesellschaft ATAC steckt mit zirka 1,4 Milliarden Euro in der Kreide. Die städtische Müllhalde ist seit Jahren übervoll und Abfälle müssen teuer ins Ausland entsorgt werden.
Und die Bürgermeisterin? Sie sieht das alles ganz anders. „Meine Kritiker müssen mir mehr Zeit geben, damit ich all die Übel, die meine Vorgänger angerichtet haben, beseitigen kann“, erklärte sie noch vergangene Woche bei einer Parteiveranstaltung. „Wie viel Zeit braucht sie denn noch?“, fragt Protestfrau Bernabei.
Tatsache ist, so die römische Tageszeitung „Messaggero“, dass „sich in Rom, seit Raggi im Juni 2016 ihr Amt übernommen hat, nichts zum Besseren verändert hat“. Ob die Demonstration am Samstag an dieser Situation etwas ändern wird muss bezweifelt werden. Doch sie beweist, dass die Römer gegen die unhaltbaren Zustände aufbegehren.