Schwäbische Zeitung (Biberach)
Strobl bleibt Antwort schuldig
Ein junger Mann, ein Flüchtling aus Syrien, vergewaltigt eine 18-Jährige, die nach einem Disco-Besuch unter Drogen steht. Dann stiftet er weitere Männer an, die wehrlose Frau ebenfalls zur eigenen Befriedigung zu missbrauchen. Der Vorfall in Freiburg ist abscheulich, er steht im größten Widerspruch zu allen Grundsätzen von Menschlichkeit und Würde im Umgang miteinander.
Wie die Behörden, vor allem der zuständige baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl, in dem Fall lavieren, lässt zudem Zweifel am Rechtsstaat aufkommen. Gegen den Mann lag ein Haftbefehl vor. Er war polizeibekannt – als Drogendealer, als Gewalttäter und, wie nun klar ist, auch als Sexualverbrecher. Dennoch blieb er zunächst auf freiem Fuß. Die Gruppenvergewaltigung wäre vermeidbar gewesen.
Warum der Täter nicht sofort gefasst wurde? Die Antwort auf diese Frage konnte Strobl bis heute nicht wirklich liefern. Erst sollen es ermittlungstaktische Gründe gewesen sein. Dann stellte sich heraus, dass der Täter wohl nicht aufzufinden war.
Es ist das zweite Kommunikationsdesaster, das Strobl sich vorwerfen lassen muss. Um gegen Straftäter rund um die Landeserstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Sigmaringen vorzugehen, hatte Strobl im März den Einsatz „verdeckter Kräfte“angekündigt. Mit dieser Ankündigung gefährdete er, so die Kritik der Deutschen Polizeigewerkschaft, die Aktionen und die Beamten.
Das Hin und Her zur verspäteten Gefangennahme des Freiburger Vergewaltigers reiht sich ein in Strobls Liste des ungeschickten Agierens. Dass er nun auf bundespolitischer Ebene fordert, den Abschiebestopp nach Syrien zu überdenken, ist eine schlechte Ablenkungsstrategie. Und seine Ankündigung, mehr Polizisten nach Freiburg zu schicken, mag zwar die Bürger in der südbadischen Stadt freuen, aber all das tröstet nur wenig über die Ungereimtheiten im konkreten Fall hinweg. Die Fakten: Der Mann war als Intensivtäter bekannt, es gab einen Haftbefehl, die Polizei hätte den Syrer aus dem Verkehr ziehen können. Es wird Zeit, dass Strobl Klartext spricht und sich entschuldigt, statt auf andere zu zeigen. Er trägt die politische Verantwortung.
k.ballarin@schwaebische.de